Kommt ein trauriges und einsames Weihnachtsfest auf uns zu?
Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder haben in einer Videokonferenz über weitere Einschränkungen und Verbote für die Bürger in Deutschland beraten. Nach mehrstündigen Verhandlungen trat die Kanzlerin vor die Presse und präsentierte den neuen Maßnahmenkatalog, welcher wie nie zuvor in die Privatsphäre der Menschen und die Wirtschaft eingreift. Ebenso wurde über die Zusammenkünfte an Weihnachten und das Lernen in den Schulen entschieden.
In der heutigen Regierungserklärung rechtfertigt die Kanzlerin die verabschiedeten Maßnahmen und muss sich der Kritik der Opposition stellen.
Die Redner der Debatte:
Angela Merkel (CDU)
Ganz die alternativlose Kanzlerin beginnt Angela Merkel mit der Behauptung, der erneute Lockdown im Herbst sei in dieser Form „unausweichlich“. Sie habe erklärt, warum die Einschränkungen gerechtfertigt gewesen seien und freut sich darüber, dass die Kontakte angeblich um 40% gesunken seien.
Ein besonderer Dank gibt es von Angela Merkel dann noch für die Zustimmung des Parlaments zum sogenannten Bevölkerungsschutzgesetzes und geradezu zynisch klingt der Dank an die Bürger für ihr „Vertrauen“.
Nach dem Auftakt wird erneut ein apokalyptisches Bild des derzeitigen Infektionsgeschehens gezeichnet. Damit sollen letztlich die Verlängerung und teilweise Verschärfung des zweiten Lockdowns gerechtfertigt werden. Aber für Angela Merkel ist das gar kein Lockdown, wie sie in ihrer Rede betont. Es klingt fast wie eine Drohung, wenn sie davon spricht, in Deutschland ginge man ja noch vergleichsweise milde vor.
Generell ist der Unterton der Kanzlerin wie schon in vergangenen Debatten so gewählt, als ob es für das Handeln der Bundesregierung keine Alternativen denkbar wären. In ihrer Rede zählt Angela Merkel noch einmal die Beschlüsse der vorangegangenen Konferenz mit den Ministerpräsidenten auf. Die Menschen will sie nicht in falscher Sicherheit wiegen.
Den Menschen billigt sie wenigstens das Recht zu, „eine Erwartung zu haben“, daher hielt sie es für geboten, Ihnen mitzuteilen, dass sie bis Januar vermutlich keine Lockerungen zu erwarten haben.
Kontakte reduzieren ist für die Kanzlerin das Gebot der Stunde. Private Zusammenkünfte sind Merkel dabei ein besonderer Dorn im Auge. Daher hielt sie es für angebracht, dass auch private Treffen weiter reguliert werden. Dass es für Weihnachten eine Sonderregelung für bis zu 10 Personen gibt, scheint Angela Merkel schon fast zu stören und sie merkt an, dass man ja das „Maximum“ nicht immer ausreizen müsse. Weihnachten soll für sie vor allem ein „sicheres Weihnachten“ sein. Generös merkt sie noch an, dass sie private Feuerwerke zu Silvester nicht völlig verbieten, empfiehlt aber, es trotzdem sein zu lassen.
Schulen will sie offen halten, aber mit verschärfter Maskenpflicht und bei älteren Schulklassen auch mit Wechselunterricht. Besondere Erwähnung findet Karl Lauterbach, der an Schulkonzepten mitgearbeitet hat, was Schlimmes erahnen lässt.
Gastronomie, Hotel und Kulturbetrieben bescheinigt sie, dass diese eine große Last tragen. Eine Untertreibung angesichts des Verbotes, dass in diesen Branchen überhaupt gearbeitet wird.
Alle Hoffnung von Angela Merkel liegt auf einem Impfstoff, darüber hinaus hat sie in der Zeit der Pandemie vor allem gelernt, dass ihre Verbotspolitik das einzige Mittel zum Umgang mit dem Virus sein soll.
Zum Ende gibt es noch eine Reihe von Durchhalteparolen mit Phrasen wie „der Winter wird schwer, aber er wird enden“.
Dr. Alice Weidel (AfD): Die “Klüngelrunde“ mit Gängelmaßnahmen
Dr. Alice Weidel beginnt mit einem Paukenschlag. Die Kollateralschäden der Politik der Bundesregierung seien jetzt schon größer als durch das Corona-Virus. Mit einem Blankocheck würden einschneidende Corona-Maßnahmen entschieden, das Parlament sei in der Zuschauerrolle. Dies sei ein Tiefpunkt für die demokratische Mitbestimmung in Deutschland, so Weidel.
Ihre berechtigte Kritik spezifiziert sie anschließend, als sie die Merkel-Ministerkonferenz hart angreift. Die Maßnahmen seien in einer „von der Verfassung nicht vorgesehene Kungelrunde aus Kanzleramt und Ministerpräsidenten im virtuellen Hinterzimmer“ entstanden. Weiter kritisiert die Fraktionsvorsitzende der AfD die staatliche Bevormundung: Es gehe den Staat nichts an, wie Feiertage verbracht werden.
Die 41-Jährige leitet in ihrer Kritik auf Schulen, Gaststätten und den Einzelhandel weiter. Kinder müssten in dicken Pullovern in den Klassenzimmern sitzen, während die Busse und Bahnen brechend voll durch die Stadt fahren. Der Einzelhandel in den Innenstädten würde durch die Maßnahmen verhungern. Die Bundesregierung bestrafe dabei die, die vorbildlich in der Krise agieren.
Die Gängelung des Staates sieht sie sehr kritisch, dies sei ungehörig und übergriffig. Eine proaktive Corona-Politik wäre die Lösung gewesen.
In ihren Abschlussworten fordert Weidel eine ausgiebige Debatte und die Rückkehr zur demokratischen Normalität.
Die Rede von Alice Weidel im Video:
Rolf Mützenich (SPD): Die richtige Balance
Der Fraktionsvorsitzende der SPD lobt in seinem Anfangsstatement die Beschlüsse der Ministerkonferenz: Diese seien angemessen, lebensnah und nachvollziehbar. Die Zahlen seien zu hoch: „Das war der Zeitpunkt, so zu handeln!“
Die richtige Balance zwischen Verhältnismäßigkeit auf der einen und Verantwortung auf der anderen Seite sei vollumfänglich gegeben.
Anschließend schweift der Rheinländer ab und schimpft auf die größte Oppositionspartei im Bundestag: Der Tiefpunkt der letzten Woche war nicht das Infektionsschutzgesetz, sondern der angebliche Angriff auf ein Verfassungsorgan durch Gäste der AfD. Weiter bezeichnet er die Partei als provokativ und bösartig.
Im zweiten Teil seines Beitrags beschwört Mützenich die Solidarität der Bürger und greift dabei auf ganz Europa über. Kritische Stimmen bezeichnet er dabei als hyperaktiv.
Wie schon zu Beginn bedankt er sich für die Zustimmungen des Bevölkerungsschutzgesetz bei den Grünen und gängelt die Linkspartei. Mützenich hofft, in einem zukünftigen Rückblick erkennen zu können, das verantwortungsvoll und mit dem richtigen Maß gehandelt wurde. Wirklich sicher scheint sich der SPD-Mann nicht zu sein.
Christian Lindner (FDP): Zwischen Ernsthaftigkeit und vulnerablen Gruppen.
Zum Anfang verweist Lindner auf die Ernsthaftigkeit der Krankheit. Die Regeln aus Abstand und Maske seien wichtig, so der Fraktionsvorsitzende der FDP. Gegenseitige Rücksichtnahme sei in dieser Zeit notwendig. Die Verlängerung der Maßnahmen halte er grundsätzlich für richtig.
Anschließend wirft er der Bundesregierung jedoch vor, in der breiten Masse Maßnahmen zu verhängen, welche nicht alle sinnvoll seien. Die Wirksamkeit einiger Maßnahmen stellt er in Frage.
Zu einem Fazit kommt er schon zur Hälfte seines Redebeitrags: Nicht die Strenge der Verbote sei entscheidend, sondern wie gut diese die wirklich Gefährdeten schützen.
Im gleichen Absatz fordert der 41-Jährige einen Schutzschirm für Risikogruppen, auch um das wirtschaftliche und kulturelle Leben wieder öffnen zu können.
Es sei mehr möglich in Hinblick auf den Schutz der vulnerablen Gruppen, so Lindner.
Am Ende mahnt der Wuppertalter: Die Union müsse mit den Folgen ihrer Politik leben. Die Langfristigkeit der Maßnahmen sei nicht gegeben. Er verweist auf die Aussagen des Kanzleramtsminister, dass der Lockdown bis März 2021 gehen könnte.
Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): Höhnisches Lob für die Gebeutelten
Brinkhaus beginnt, wo Mützenich aufhörte: Mit Lob für die gegängelten Menschen in Deutschland. „Ich möchte Danke sagen“. Anschließend geht es mit einem Zahlen-Wirrwarr weiter. Die Infektionszahlen seien schlecht, den Mitarbeitern im medizinischen System sei man es schuldig, die Pandemie weiter in den Griff zu bekommen. Anschließend geht er zur für ihn notwendigen Reduktion von Kontakten über.
Anschließend beweist der Fraktionschef der Union im Blick auf den Einzelhandel Arroganz. Brinkhaus kritisiert das Feilschen um jeden Quadratmeter, welches er offensichtlich als nicht zielführend betrachtet. Vielmehr wünsche er sich eine Hotspot-Strategie, die erweitere Maskenpflicht bezeichnet er als korrekt. Brinkhaus scheint ein Freund von noch härteren Maßnahmen zu sein. Weihnachten und Silvester bezeichnet er als doppeltes Risiko in der schlimmsten Krise seit 75 Jahren. Es scheint, als wolle der Christdemokrat diese Feste am liebsten abschaffen.
Anschließend passiert ein kleines Wunder: Es folgt leichte Kritik am Merkel-Ministerstammtisch. Das Budgetrecht habe der Deutsche Bundestag, gleichzeitig fordert Brinkhaus mehr Arbeit und Einbringung der Bundesländer.
Am Ende spricht der 52-Jährige aus, was zwischen den Zeilen offensichtlich geworden ist: Er habe sich noch härtere Maßnahmen gewünscht. Das scheibchenweise Vorgehen würde zermürben: „Führen in der Krise heißt, den Menschen etwas zuzumuten“. Brinkhaus nimmt nach diesem fragwürdigen Appell wieder Platz.
Dietmar Bartsch (Die Linke): Sozialismus und die Minister
Die SED-Nachfolgerpartei schickt Dietmar Bartsch ins Rennen, der direkt in Sozialismusgedanken übergeht.
Anschließend geht es um das eigentliche Thema. Den Ministerstammtisch kritisiert er, ebenso die Alarmismus-Sprache von Markus Söder. Vertrauen würde durch eine solche Sprache verloren gehen, mahnt Bartsch. Der 62-Jährige kritisiert die fehlende Legitimation des Ministerstammtisches und fordert eine Debatte vor den Verhandlungen. Bei schweren Grundrechtseinschränkungen müsse immer noch der Bundestag entscheiden, meint der Linke-Fraktionschef.
Anschließend spricht er die Minister auf der Regierungsbank einzeln an. Die Maßnahmen kommen zu spät, ebenso würden die Gelder zu spät ausgezahlt. Die Bundesregierung habe in den letzten 8 Monaten nach Bartsch zu wenig getan.
Am Ende folgen mahnende Worte: Die Akzeptanz der Bürger stehe auf dem Spiel. Ein mittelfristiges Konzept sei nicht zu erkennen, es brauche Planungssicherheit für die Menschen. Überraschenderweise fordert der Linke keine Vermögenssteuer für Milliardäre und bricht somit mit einer unausgesprochenen Tradition seiner Fraktion.
Anton Hofreiter (Die Grünen): Noch härtere Maßnahmen!
Der Fraktionschef der Grünen beginnt emotional: Die Krise würde vorrübergehen. Er verweist in seiner Rede auf Solidarität oder nationale Egoismen und bezieht sich dabei auf den Impfstoff. Die Infektionszahlen wären „viel viel zu hoch“, das Virus sei sehr gefährlich und würde unendliches Leid erzeugen. Er dankt in der emotional aufgewühlten Stimmung den Pflegern und Ärzten.
Die Worte Hofreiters belegen, dass die Grünen, trotz neuem Programm, weiter die klassische Verbotspartei sind: Die Verschärfungen bezeichnet der Grüne als richtig, obwohl die Maßnahmen hart seien. Nur wenige Sätze später bezeichnet Hofreiter die Maßnahmen als „das Mindeste“, sie müssten darüber hinaus hart durchgesetzt werden.
Der 50-Jährige befürwortet den Stufenplan und die Hotspot-Strategie von Ralph Brinkhaus. Die grün-schwarze Annährung im Parlament wird von Debatte zu Debatte offensichtlicher. Besagter Plan solle im Parlament und dem Bundesrat beschlossen werden. „Lassen sie uns das Gesetz verändern“. Er pocht auf eine rasche Umsetzung: Lassen sie uns das gemeinsam tun! Der Verbotsjünger hat gesprochen.
Tino Chrupalla: “Das waren sie, Frau Merkel!”
Der Bundesvorsitzende der AfD spricht Angela Merkel direkt an und zeigt sich bestürzt über die Maßnahmen, welche ergriffen wurden. Deutschland würde stillstehen:
„Wo ist ihr Respekt vor der Würde des Menschen?“
Chrupalla unterstreicht, dass die AfD als Oppositionspartei für verhältnismäßige Lösungen streitet. Die Diffamierungen der Altparteien kritisiert er hart. Sechs Millionen Wähler würden von der Gesellschaft abgespaltet. Überzeugende Konzepte würden dagegen nicht vorgelegt.
Die Bundesregierung setze sich über die parlamentarische Demokratie hinweg. Harsch greift er den Finanzminister Olaf Scholz an: „Wie kann ein Sozialdemokrat den Arbeitern gegenüber so unsozial sein?“
Für Chrupalla als Unternehmer sei Motivation die treibende Kraft. Nicht verlassen sollte man sich dagegen auf die Garantien des Bundesfinanzministers. Klar fordert er als konkrete Maßnahme, dass die systemrelevanten Branchen von der Lohnsteuer befreit werden.
Der AfD-Mann endet mit einer scharfen Ansprache an Angela Merkel:
„Ihr Handeln hat Unsicherheit und Ängste bei den Menschen unseres Landes erzeugt. Nicht Corona hat uns in eine tiefe Depression versetzt – das waren Sie, Frau Merkel!”
Die Rede von Tino Chrupalla im Video:
“Kenia-Koalition” im Verbotsrausch
Die gefühlte Kenia-Bundesregierung fordert durchgängig noch härtere Maßnahmen, während die AfD für mehr Freiheiten und Bürgerrechte kämpft. Die heutige Debatte hat gezeigt, dass Kritik an den Corona-Verboten auch aus den Reihen der FDP und der Linke geübt wird, diese aber einen Großteil der Maßnahmen als durchaus richtig und eine Verlängerung des Lockdowns nicht kritisch sehen. Erschreckend zu beobachten ist, wie sehr die Grünen am Rockzipfel der Kanzlerin und der Union hängen. Für ein bisschen mehr Macht scheint den Ökos jedes Mittel recht. Am Ende bleibt im Kampf um die Freiheit und die Bürgerrechte vor allem ein Satz im Gedächtnis, welchen Tino Chrupalla direkt an die Bundeskanzlerin richtete: „Nicht Corona hat uns in eine tiefe Depression versetzt – das waren Sie, Frau Merkel!“ Eine starke Zusammenfassung.
TM
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