Debatte der Woche: Tabubruch Infektionsschutzgesetz

Debatte der Woche: Tabubruch Infektionsschutzgesetz

Es ist eines der umstrittensten Gesetze der Nachkriegsgeschichte.

Schon Im November 2020 gab es massive Proteste gegen den von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Während die Proteste vor dem Reichstag eskalierten, verabschiedeten die Regierungspartei unter gütiger Mithilfe der Grünen die damals weitreichendsten Grundrechtseinschränkungen in der Bundesrepublik Deutschland.

Zum Auftakt der Debatte stellt Dr. Bernd Baumann, Parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Bundestagsfraktion, einen Änderungsantrag vor, indem er die Rücküberweisung des Gesetzes in die Ausschüsse fordert. Selbst der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages befürchte, dass das Gesetz verfassungswidrig sei, erläutert Baumann. Dem Antrag stimmen die Parlamentarischen Geschäftsführer der weiteren Fraktionen nicht zu. Aus der Union heißt es, die Notwendigkeit des Gesetzes sei gegeben, alles sei regelgerecht abgelaufen. Der FDP-Mann Marco Buschmann bezichtigt die AfD der Heuchelei, ebenso Britta Haßelmann von den Grünen. Carsten Schneider (SPD) bittet um eine Zustimmung des Gesetzes, der Linke Jan Korte erklärt, das Gesetzesverfahren sei von der Geschäftsordnung gedeckt.

Im Anschluss eröffnet der Fraktionschef der Union Ralph Brinkhaus die Debatte.

Ralph Brinkhaus (CDU): Infektionsschutzgesetz als Gesetz fürs Leben

Der 52-Jährige beginnt seinen Redebeitrag mit einem Verweis auf Grundgesetz Artikel 2, Absatz 2: Das Leben und die Gesundheit der Bürger müsse geschützt werden. Der Deutsche Bundestag sei in dieser Situation gefordert und müsse endlich handeln.

Zu den umstrittenen Punkten im Gesetz erklärt Brinkhaus, dass Brücken für alle Kritiker gebaut wurden. Nach dem Willen des Fraktionsgeschäftsführers wäre das vorliegende Papier „schärfer und härter“ ausgefallen. Den Vorwurf einer Untergrabung der Demokratie weist Brinkhaus zurück. Beim vorliegenden Entwurf habe es so viel Demokratie gegeben wie noch nie. Die Maßnahmen seien dringend notwendig, ebenso das Gesetz, das gegen alle Vorwürfe auch den Föderalismus berücksichtige. Das Infektionsschutzgesetz sei insgesamt ein Gesetz für das Leben. Zum Ende bittet der Fraktionschef um Zustimmung.

Dr. Alexander Gauland (AfD): „Dieses Gesetz ist ein Tabubruch!“

Dr. Alexander Gauland beginnt kraftvoll und beschreibt den vorliegenden Entwurf als Angriff auf die Freiheitsrechte, Föderalismus und gesunden Menschenverstand. Die Regierenden seien nicht bereit, ihre Fehler einzusehen, so der 80-Jährige.

Die Destruktion gehe dabei nicht von der Opposition aus, sondern von denjenigen, die in der Impfstoffbeschaffung versagt haben. Der Aufenthalt an der frischen Luft würde verboten, dafür sinnfreie Maßnahmen aufgrund einer manipulierbaren Inzidenz erlassen. Gauland weist darauf hin, dass „Einschränkungen von heute“ auch als „Einschränkungen von morgen“ gelten. Für seine Argumentation schlägt der AfD-Fraktionschef eine Brücke zum Klima. Ganz egal ob Pandemie oder Klima: das Notstandsgesetz sei übertragbar auf andere Bereiche, so Gauland. Der Regierung wirft er im Anschluss vor, das halbe Volk zu Querulanten zu machen. Grundrechte seien Abwehrrechte der Bürger gegen den übergriffigen Staat, diese ständern nicht unter Pandemie- und Klimavorenthalt

Grundrechte sind Abwehrrechte für die Bürger, Grundrechte stehen nicht unter Pandemie- und Klimavorenthalt. „Dieses Gesetz ist ein Tabubruch!“, ruft Gauland ins Parlament und betont, dass die AfD-Fraktion das Papier geschlossen ablehne.

Die Rede von Alexander Gauland im Video:

Olaf Scholz (SPD): Maßnahmen sind Ergebnis von Abwägungen, Klarheit und Konsequenz

Der Vize-Kanzler beginnt mit einem Loblied auf den Corona-Wiederaufbaufonds und steigt erst verspätet in das eigentliche Thema ein. Dabei bleibt der SPD-Kanzlerkandidat bei oberflächlichen Phrasen: Es müsse etwas getan werden, da die Lage sehr ernst sei. Die Bürger hätten verdient, schnell „aus der Sache zu kommen.“ Scholz geht davon aus, dass die einheitlichen Regeln des Bundes zur Verständlichkeit der Bürger für die Maßnahmen beitragen würden.

Es solle die klare Botschaft gesendet werden, die Bundesregierung habe einen Kurs, der entschlossen verfolgt werde. Dies sei mit dem Gesetz verbunden. Darüber hinaus seien Maßnahmen, die von der Bundesregierung beschlossen werden, nicht „frei gegriffen“. Vielmehr seien sie das Ergebnis von Abwägungen, Klarheit und Konsequenz, so Scholz.

Christine Aschenberg-Dugnus (FDP): Bundeseinheitlich ja, aber keine Ausgangssperren

Christine Aschenberg-Dugnus für die FDP beschreibt die bundeseinheitlichen Regelungen für notwendig und verweist dabei auf den bundesweiten Stufenplan ihrer Partei.

Das Gesetz an sich sei jedoch durchgefallen. Die Maßnahmen seien zur Bekämpfung des Virus nicht geeignet, allen voran die medial viel kritisierten Ausgangssperren. Der Fokus müsse vielmehr auf Impfungen, Testen und AHA-Regeln liegen, so die 61-Jährige.

Den Inzidenzwert allein hält Aschenberg-Dugnus für nicht ausreichend für eine Bewertung der Situation. Es müssten mehr Faktoren miteinbezogen werden. Zum Ende weist die Eppsteinerin darauf hin, dass ihre Partei eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einlegen werde.

Amira Mohamed Ali (Die Linke): Testpflicht in Unternehmen

Die Bundesregierung taumele von einem Murks in den Nächsten, kritisiert Amira Mohamed Ali von der Linkspartei. Die vorgetragenen Lösungen würden die Probleme nicht lösen. Schon an einem frühen Zeitpunkt in ihrer Rede stellt die 41-Jährige fest, dass ihre Fraktion das Gesetz ablehne. Die Wirksamkeit von Ausgangssperren sei umstrittenen, die Einschnitte in die Grundrechte dafür umso massiver. Die Arbeitgeber werden nach Ali nicht genügend in die Pflicht genommen, es brauche eine Testpflicht für Unternehmen und Firmen.

Danach schweift die Fraktionsvorsitzende etwas ab und schwenkt einmal zu Schulen, anschließend zu einer Verlängerung des Arbeitslosengeldes. Endgültig in linke Standardphrasen rutscht Ali, als sie auf das Profitproblem des Gesundheitssystems hinweist.

Maria Klein-Schmeink (Die Grünen): Notbremse zu halbherzig!

Wie schon in den vergangenen Wochen befürworten die Grünen den harten Wellenbrecher, dieser sei „dringend erforderlich“. Maria Klein-Schmeink beklagt, dass es so nicht weiter gehen dürfe und der Bund nun endlich die Verantwortung übernehmen solle. Zu spät und unwirksam seien die Maßnahmen des Entwurfs. Die Maßnahmen reichen für eine Trendumkehr nicht aus, meint die 63-Jährige.

Neben der Kritik an der Härte des Lockdowns bemängelt Klein-Schmeink die fehlende Wissenschaftlichkeit der Maßnahmen und verfassungsrechtliche Lücken. Die „Notbremse“ sei insgesamt zu halbherzig.

Jens Spahn (CDU): Impfen und Testen reichen nicht gegen die Corona-Welle

Zu Beginn bedient sich der Gesundheitsminister allgemeiner Phrasen. Corona habe Deutschland verändert, tiefgreifende Entscheidungen seien nun notwendig. Die Bundesregierung habe ihren Instrumentenkasten in der Corona-Zeit kontinuierlich erweitert. Jedoch reichen Impfen und testen würden gegen die Corona-Welle nicht aus, erklärt Spahn. Das bewährte und wirksame Mittel sei dabei die Reduktion von Kontakten. Eine Überlastung des Gesundheitssystems müsse vermieden werden. Dabei verweist der 40-Jährige auf die Schutzrechte des Staates

Die viel diskutierten Ausgangssperren seien notwendig, angemessen und geeignet, die Notbremse ein Ergebnis demokratischer Prozesse. Zum Ende bittet der Bundesgesundheitsminister um Zustimmung für das Gesetz.

Die Instrumente von gestern für die Probleme von Morgen

Kaum eine Debatte hat die Planlosigkeit der Bundesregierung besser veranschaulicht als im Bundestag zum neuen Infektionsschutzgesetz. Jens Spahn, Olaf Scholz und Ralph Brinkhaus flüchteten sich in allgemeine Phrasen, die so auch schon im April letzten Jahres gestanden haben könnten. Allen voran die AfD als größte Oppositionspartei zeigte eindeutig die Versäumnisse der Großen Koalition auf, wobei der Fokus von Fraktionschef Alexander Gauland klar auf den Grund- und Freiheitsrechten der Bürger lag. Die anderen Oppositionsparteien störten sich weniger am Gesetz selbst als an kleinen Details der beschlossenen Maßnahmen. Echte Opposition geht anders.

TM

Debatte der Woche: Tabubruch Infektionsschutzgesetz Zuletzt aktualisiert: 21.04.2021 von Team Münzenmaier