Nachdem die Linkspartei bei der Bundestagswahl 2021 noch mit Ach und Krach dank dreier Direktmandate den Wiedereinzug in den Bundestag geschafft hatte (trotz 4,9 % der Wählerstimmen), sah sich die Partei aufgrund einer massiven Wählerabwanderung wohl selbst am Tiefpunkt angekommen. Nach den aufgekommenen Vorwürfen hinsichtlich der sexuellen Belästigung insbesondere in der hessischen Linken und dem Rücktritt der Co-Vorsitzenden Hennig-Wellsow steht die Partei nun endgültig vor dem Scherbenhaufen ihrer Arbeit der letzten Jahre.
Der Abstieg der Linkspartei, der im September 2021 nicht zuletzt beinahe im Ende der Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag gipfelte, hat viele, weitreichende Facetten. Er ist nicht nur in einem schwächelnden Führungsduo Wissler/Hennig-Wellsow zu sehen, die es in den letzten Monaten nicht schafften, einen Neustart, einen Aufbruch zu erzeugen. Die Probleme der Linken liegen tiefer, sie haben strukturelle und inhaltliche Ursachen.
Linkspartei ohne Profil hat glaubwürdigen Kurs verlassen
Lange Jahre galt die SED-Nachfolgepartei als Partei der Arbeiter und Angestellten, die sich vor allem um die Interessen der Ostdeutschen nach der Wende kümmerte. Auch wenn die Partei schon damals viel Abwegiges (etwa auf wirtschaftlicher Ebene) forderte, war zumindest eindeutig ein Profil erkennbar.
Inzwischen verliert sich die Linke in internen Streitigkeiten und weiß mutmaßlich selbst nicht mehr, wofür sie steht. Dass sie nun aufgrund von im Raum stehenden Sexismus-Vorwürfen massiver Kritik ausgesetzt ist, ist ein Symptom einer Partei, die einen geradlinigen, glaubwürdigen Kurs schon lange verlassen hat.
Schwere Vorwürfe hinsichtlich sexueller Übergriffe vor allem gegen Vertreter der hessischen Linken
Doch was ist überhaupt passiert? Mutmaßlich Betroffene haben schwere Vorwürfe gegen Vertreter der hessischen Linken geäußert, die über mehrere Jahre sexuelle Übergriffe vorgenommen haben sollen. Wie ein großes Nachrichtenmagazin berichtete, sollen E-Mails, Fotos, Chatverläufe, eidesstattliche Versicherungen von Betroffenen und zusätzliche Dokumente aufzeigen, dass es in erster Linie in der hessischen Linkspartei anscheinend zu Machtmissbrauch und sexueller Grenzüberschreitung kam. Möglichen Tätern wird Grabschen, verbale Belästigung, bis hin zu Vergewaltigung vorgeworfen.
Weiterhin wurden seitens des Magazins Hinweise herausgearbeitet, dass die Partei selbst die Betroffenen zu wenig unterstützt und die potenziellen Täter zu wenig in die Schranken gewiesen habe. Die Bundessprecherin der Linksjugend, Sarah Dubiel, gab in dem Zusammenhang am 16. April kund: „Es haben sich seit gestern 17 weitere mutmaßlich Betroffene bei uns gemeldet.“ Darunter hätten sich auch Vorwürfe gegen Bundespolitiker der Partei befunden.
Aus Parteikreisen ist zu vernehmen, dass die Vorfälle in der hessischen Linken lediglich die „Spitze des Eisbergs“ seien. Zu vermuten ist, dass sexualisierte Gewalt kein neuartiges Phänomen in der Partei darstellt. Die Täter sind intern womöglich auch schnell verortet: die alten weißen Männer.
Demnach erklärte Jakob Hammes, Vorsitzender der Linken-Nachwuchsorganisation Linksjugend solid: „Wir haben in der Linken ein Problem mit Männerbünden, bestehend aus Funktionären, die schon seit der Gründung aktiv sind, Ämter auf sich vereinen und sich gegenseitig helfen, ihre Macht zu festigen.“
Linken-Vorsitzende Wissler unter Druck
In dem Kontext der Sexismus-Vorwürfe sieht sich auch die Bundesvorsitzende der Linken, Janine Wissler, deutlicher Kritik ausgesetzt. Sie selbst war über Jahre Fraktionschefin der Linkspartei im hessischen Landtag. Die 40-Jährige dementierte allerdings, schon vor November 2021 von den Vorwürfen bezüglich der sexuellen Übergriffe Kenntnis gehabt zu haben. Jedoch gibt es eine interne Mail eines ehemaligen Mitglieds des Landesvorstands, in der das Gegenteil behauptet wird und sogar die gesamte hessische Linken-Führung frühzeitig über entsprechende Informationen verfügt haben soll.
In Folge der potenziellen sexualisierten Gewalt trendet auf Twitter der Hashtag „LinkeMeToo“, der die SED-Nachfolgepartei als eine Art Sargnagel immer tiefer ins Dilemma stürzt. Politische Bedeutungslosigkeit, Tiefpunkt, Selbstzerstörung: All das sind Begriffe, die die Situation der Linken passend beschreiben. Im Folgenden werden einige Beispiele aufgeführt, die die dramatisch schlechte Lage der Linkspartei aufzeigen.
Bodenlose Wahlergebnisse als Beleg der miserablen Lage der Linkspartei
Zunächst sind die schlechten Wahlergebnisse zu nennen. Die Linke verdankt ihren Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag überhaupt nur der Tatsache, dass sie drei Direktmandate gewinnen konnte. Die Fünf-Prozent-Hürde hatte die Linkspartei eigentlich verpasst. Symptomatisch verlor sie bei der vergangenen Bundestagswahl sogar den Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf in Berlin, den die Partei zuvor zwanzig Jahre lang immer gewinnen konnte.
Bei der letzten Landtagswahl im Saarland verlor die Linkspartei zudem 10,3 Prozentpunkte und flog mit lediglich 2,6 Prozent der Stimmen aus dem Landtag. Auch bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus erzielte die Linke ein schlechteres Ergebnis im Vergleich zur vorherigen Abstimmung. Dabei ist besonders hervorzuheben, dass über 50 Prozent der Berliner den parallel stattfindenden Enteignungsvolksentscheid unterstützten, den einzig die Linkspartei in aller Deutlichkeit bewarb. Ein klares Signal, dass die Partei dennoch für viele unwählbar war.
Co-Vorsitzende Hennig-Wellsow nimmt ihren Hut – und gesteht Versagen ein
Ein weiteres Anzeichen einer zerfallenden Partei ist der Rücktritt einer führenden Figur, so geschehen in Person der Co-Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow, die diesen am 20. April bekanntgab. In einer schriftlichen Erklärung begründete sie diesen Schritt neben dem Umstand, dass sie mehr Zeit mit ihrem Sohn verbringen möchte und dem Umgang mit den Sexismus-Vorwürfen auch mit eigenem Versagen.
Diesbezüglich schrieb die 44-Jährige: „Das Versprechen, Teil eines Politikwechsels nach vorn zu sein, konnten wir aufgrund eigener Schwäche nicht einlösen.“ Ein richtiger Neuanfang sei ausgeblieben. Und weiter: „Eine Entschuldigung ist fällig, eine Entschuldigung bei unseren Wählerinnen und Wählern, deren Hoffnungen und Erwartungen wir enttäuscht haben.“
Inhaltliche, strukturelle Probleme als wesentliche Ursache des Absturzes
Zurückzuführen ist der Absturz der Linkspartei aber trotz allem hauptsächlich auf inhaltliche, strukturelle Probleme. Auch diese linke Partei hat einen vollends wohlstandswoken Kurs eingeschlagen und damit ihre ursprüngliche Klientel verraten. Angestellte und Arbeiter, die etwa 50 Prozent der Bevölkerung ausmachen, wendeten sich in den letzten Jahren mehr und mehr von der SED-Nachfolgepartei ab.
Dies lässt sich anhand von Zahlen belegen. Wählten 2009 noch 18 Prozent der Arbeiter und zwölf Prozent der einfachen Angestellten die Linke, waren es 2021 nur noch fünf bzw. drei Prozent. Eine entscheidende Rolle spielt dabei womöglich, dass Interessen dieser Bevölkerungsgruppen inzwischen besonders stark durch die AfD vertreten werden, während sich die Linkspartei lieber für eine offene Einwanderungsgesellschaft, Klimaschutz und Feminismus einsetzt. Die AfD ist mittlerweile die einzige Partei, die wirklich für die arbeitende Bevölkerung eintritt und den sozialen Ausgleich vorantreibt.
Doch Forderungen nach „offenen Grenzen für alle“ und das Ende des Verbrennungsmotors bis 2030 durch die Linkspartei erwecken ferner den Eindruck, dass die Grünen programmatisch in Teilen kopiert, anstatt eigene Standpunkte entwickelt werden. Die Sexismus-Vorwürfe und weitere Turbulenzen innerhalb der Linken bringen nun so viel zusätzliches Geröll ins Getriebe, dass der bodenlose Absturz der Partei nur schwer aufzuhalten sein dürfte.
TM
Neueste Kommentare