Debattenbericht: Regierungserklärung von Angela Merkel zu Afghanistan

Debattenbericht: Regierungserklärung von Angela Merkel zu Afghanistan

Der Deutsche Bundestag ist am heutigen Mittwoch zu einer Sondersitzung zusammengekommen, um über drei wichtige Themenbereiche der vergangenen Wochen und Monate zu debattieren: Die Lage in Afghanistan, die Flutwasserkatastrophe in Südwestdeutschland und eine mögliche Verlängerung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Gerade die Situation am Hindukusch hat die Deutschen letzte Woche in Atem gehalten. Ein einzigartiges Versagen des Bundesaußenministers Heiko Maas (SPD) und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat dazu geführt, dass sich das Jahr 2015 und somit eine massive Migrationswelle aus dem Osten nach Europa bewegen könnte. Schon in den vergangenen Tagen wurden mehrere tausend Menschen aus dem Taliban-Land ausgeflogen und in Deutschland sowie US-Standorten in Deutschland untergebracht. Wie viele Afghanen folgen, ist noch fraglich. Beinahe täglich erreichen die Deutschen dramatische Bilder vom Flughafen in Kabul, Menschen stehen dicht gedrängt, um einen Platz in einem der Flieger zu bekommen. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock sprach in einem Interview mit der ARD davon, dass über 50.000 Personen aus Afghanistan nach Deutschland geholt werden müssten.

Zur Abgabe einer Regierungserklärung durch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Lage in Afghanistan werden noch ein Entschließungsantrag der AfD: „Evakuierungseinsatz in Afghanistan auf deutsche Staatsbürger und eindeutig nachweisliche Ortskräfte beschränken“ und ein weiterer Antrag der AfD „Lehren aus gescheitertem Afghanistan-Einsatz ziehen – Jährliche Debatte zur sicherheitspolitischen Lage der Bundesrepublik Deutschland im Deutschen Bundestag etablieren“ debattiert. Bundeskanzlerin Merkel eröffnet die Debatte nach einer langen Einleitung von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) und beginnt ihre letzte Regierungserklärung.

Redner der Debatte zur Regierungserklärung zu Afghanistan:

Angela Merkel (CDU): Evakuierung so lange wie möglich fortsetzen

Bundeskanzlerin Merkel beginnt ihre letzte Regierungserklärung mit einer Beschrreibung der Lage am Hindukusch. Menschen seien verzweifelt, es gebe furchtbare menschliche Dramen. Die Menschen drängen nach Freiheit und Sicherheit, so die 66-Jährige. Die Entwicklungen der vergangenen Tage bezeichnet Merkel als furchtbar, bitter und eine einzige Tragödie. Es folgen Eingeständnisse eigener Fehler: Zwar seien die Kämpfe mit Taliban erwartet gewesen, jedoch habe Deutschland und seine Verbündeten unterschätzt, wie schnell das afghanische Militär seinen Widerstand aufgeben würde. Jedoch werde weiter gemeinsam mit Verbündeten gehandelt. Merkel beschreibt die Luftbrücke nach Afghanistan, um besonders gefährdete Afghanen auszufliegen. Diese sei die größte Evakuierungsaktion der Bundeswehr aller Zeiten. Es folgen Dank du Lob für den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan und den Beamten im Einsatz.

Einer wichtigen Frage widmet die Kanzlerin dann mehrere Minuten ihrer Redezeit: „Warum wurden die Ortskräfte nicht früher evakuiert? Merkel beschreibt, dass kontinuierlich ab 2013 1000 Ortskräfte mit Familien nach Deutschland eingereist seien und eine Visa-Pflicht in den vergangenen Tagen ausgesetzt worden sei. Jedoch macht Merkel klar, dass Deutschland sich auch weiterhin für Ausreisen stark mache. Ein Ende der Luftbrücke dürfe nicht das Ende der Bemühungen bedeuten, afghanische Ortskräfte und die notleidenden Menschen zu schützen, so Merkel, die neben 100 Millionen Euro Soforthilfe noch 500 weitere Millionen Hilfe ankündigt.

Wie aus 16 Jahren Kanzlerschaft gewohnt, werden die wenigen positiven Dinge hervorgehoben Die Kindersterblichkeit in Afghanistan sei halbiert worden, 70 Prozent der Bevölkerung habe Zugang zu Trinkwasser, 90 Prozent zu Strom. Trotzdem seien die Taliban nun „Realität.“

Zum Ende folgen daher drei Punkte, die Merkel nun umsetzen möchte: die Evakuierung so lange wie möglich fortsetzen, Hilfsorganisationen unterstützen, Flüchtlingshilfswerke stärken: „Wir werden Afghanistan nicht vergessen!“, denn keine Ideologie könne den Drang der Menschen nach Freiheit zurückdrängen.

Alexander Gauland (AfD): „Ein zweites 2015 verkraftet unser Land weder wirtschaftlich noch sicherheitspolitisch“

AfD-Fraktionschef Gauland antwortet mit scharfer Kritik. Die deutsche Regierung und der Bundesnachrichtendienst wussten von nichts, Kanzlerin Merkel sei im Kino gewesen, Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer habe an den Tagen des Dramas Flammkuchen gebacken. Der 80-Jährige stellt nach Aufzählung der Todesfälle und Milliardenausgaben die Frage: „Wofür das alles?“ Gauland führt aus: „Um Geschlechtergerechtigkeit in muslimische Länder zu bringen, mussten Soldaten sterben.“ Zwischenrufe der anderen Fraktionen folgen. Ein Zitat des ehemaligen Verteidigungsministers Struck korrigiert er: Die Sicherheit Deutschlands sei auch am Hindukusch verloren worden.

Eine weitere Migrationswelle nach Deutschland lehnt Gauland ab. Im Folgenden rechnet er mit der Idee einer „One-World“ ab, die krachend gescheitert sei. Nicht jede Kultur sei mit jeder anderen Kultur kompatibel, so Gauland, der auf EU-Innenkommissarin Johansson verweist, die dafür plädiert hatte, mehr gefährdete Personen nach Europa zu holen. Bei den geschätzten fünf Millionen Flüchtlingen, wie es Innenminister Seehofer in den Raum warf, sei dies „kompletter Wahnsinn!“:

„Ein zweites 2015 verkraftet unser Land weder wirtschaftlich noch sicherheitspolitisch“

Die ganze Rede von Alexander Gauland zu Afghanistan:

Rolf Mützenich (SPD): Viele Afghanen bekennen sich zu ihrer neuen Heimat Deutschland

SPD-Fraktionschef setzt in seinen ersten Worten auf eine „schonungslose“ Aufklärung der Ereignisse und zu ziehende Konsequenzen ziehen. Der 62-Jährige befürwortet eine Enquete-Kommission im neuen Bundestag und dankt den Polizisten und Diplomaten, die alles tun, „um die zu schützen, die bedroht sind“. Im Anschluss wagt der Kölner einen Ausflug in die Geschichte und betont, dass sich viele Afghanen in Deutschland zu ihrer neuen Heimat bekennen würden. Es gebe Ärzte und Pfleger, er erinnert an die langjährige Patenschaft des Kölner und Kabuler Zoos. Nach einem verbalen Angriff auf Gauland, der sich nicht an dessen Zitat „vergreifen“ solle. Ein Afghanischer Bürgerkrieg müsse nun verhindert werden. Dafür brauche es auch die „Kunst der Diplomatie“, dass Menschen vor Ort eine Chance haben.

Christian Lindner (FDP): Deutsche Bürokratie darf kein Menschenleben kosten

Mit Bildern von „grenzenloser Angst und Verzweiflung“ beginnt Christian Lindner seinen Beitrag. Wichtig seien nun Ursache und Wirkung zu analysieren, personelle Konsequenzen zu ziehen, Menschen zu helfen. Dabei unterstütze die FDP die Bundesregierung vollständig. Ebenso müsse es großzügige und schnelle Hilfen auch für Journalisten geben, „die Deutsche Bürokratie darf kein Menschenleben kosten.“ Ebenso erklärt der 42-Jährige, internationale Organisationen und das Flüchtlingshilfswerk stärken zu wollen. Darüber hinaus müsse es einen EU-Sondergipfel geben.

Kritik übt Lindner in der zweiten Hälfte seiner Redezeit für die späte Evakuierung durch Außenminister Maas, da mehr Menschen hätten evakuiert werden können. Daher fordert die FDP einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss.

Dietmar Bartsch (Die Linke): So viele ausfliegen, wie möglich

Die Linke nutzt ihren Redebeitrag für eine Rundumabrechnung mit vielen sprachlichen Bildern. Die Zustände seien furchtbar, herzzerreißend, erschütternd. Die Bundesregierung habe diese mit angerichtet, so Dietmar Bartsch. Familien sollten nun schnell und unbürokratisch evakuiert werden. Alles andere sei „kaltherzig und verantwortungslos“. Der Linken-Fraktionschef verweist darauf, dass mehr Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, und weitere Personen hätten gerettet werden können: „Es ist ein Desaster!“ Die letzten Wochen seien unentschuldbar, erklärt der Bundestagsabgeordnete, die Afghanistan-Politik sei der Schwärzeste Punkt in 16-jähriger Kanzlerschaft. 80 Prozent der Ortskräfte seien zurückgelassen, dies sei unmenschlich: „Wir stehen in der Schuld unserer afghanischen Partner.“

Zum Ende fordert Bartsch „so viele ausfliegen, wie möglich“ und einen Untersuchungsausschuss.

Annalena Baerbock (Die Grünen): Innenpolitik höhergestellt als außenpolitische Verantwortung

Auch Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock eröffnet mit dramatischen Sprachbildern zu den Menschen am Flughafen in Kabul. Diese seien nun bittere Realität. Zwar stimmen die Grünen dem Mandat für den weitere Einsatz zu, doch betont die 40-Jährige, dass das „Desaster“ aufgeklärt werden müsse. Immer wieder betont die Kanzlerkandidatin, dass auch Frauenrechtlerinnen evakuiert werden müssten, dabei greift sie die Bundesregierung scharf an. Die innenpolitische Sicherheit sei höhergestellt worden als außenpolitische Verantwortung, auch um Abschiebungen nach Afghanistan weiter durchführen zu können. Es brauche nun einen Untersuchungsausschuss, einen Afghanistan-Gipfel und in Zukunft eine aktive Außenpolitik. Dabei überschreitet Baerbock ihre Redezeit weit, wobei Bundestagspräsident Schäuble erst spät eingreift.

Afghanistan: AfD klar, alle anderen schwammig

Während der gesamten Debatte war zu beobachten, wie sehr die anderen Fraktionen bemüht waren, sich immer neue Hintertürchen für eine weitere Migration von Afghanistan nach Deutschland offenzuhalten. Eine Verlängerung der Evakuierung, einer Ausweitung des Ortskräftebegriffes und eine nicht endende Betonung der schlimmen Verhältnisse zogen sich durch die gesamte Debatte. Einzig die AfD positionierte sich in Person von Alexander Gauland ganz klar: Eine neues 2015 dürfe es nicht geben: „Das ist kompletter Wahnsinn!“

TM

Debattenbericht: Regierungserklärung von Angela Merkel zu Afghanistan Zuletzt aktualisiert: 25.08.2021 von Team Münzenmaier

Eine Antwort auf “Debattenbericht: Regierungserklärung von Angela Merkel zu Afghanistan”

  • Heidi Walter

    Von Heidi Walter

    Tut mir bitte einen Gefalle und lasst ihre Visage außen vor. Bei ihrem Anblick fällt mir immer nur der Satz, den Pofalla zu Bosbagh gesagt hat, in etwas abgewandelter Form, ein “ich kann ihre Fresse nicht mehr sehen. Ich kann ihre Schei§§e nicht mehr hören”.

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