Politisches & Berichte

Talkshow von Maybrit Illner: Alle gegen Tino Chrupalla

Die TV-Shows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen laden sich gerne genehme und erwünschte Gäste ein. Karl Lauterbach besitzt eine Dauerkarte für Lanz und Co.. Ebenso die Vertreter der Grünen als kleinste Oppositionspartei sind dauerrepräsentiert auf den Stühlen von ARD und ZDF.

Umso erfreulicher ist, wenn ausnahmsweise auch ein Vertreter der größten Oppositionspartei im Deutschen Bundestag eingeladen wird. Tino Chrupalla, Bundessprecher der AfD, folgte der Einladung von Maybritt Illner und nahm neben Sahra Wagenknecht und dem Journalisten Georg Mascolo Platz im ZDF-Studio. Zugeschaltet waren außerdem der NRW-Innenminister Herbert Reul und Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen. Das Thema der Sendung wurde nach ersten Worten der Gastgeberin zum Anfang klar abgesteckt:

„Rechts, links, quer – wer profitiert von Angst und Spaltung?“

Schon die einleitenden Sätze der Gäste ließen vermuten, was im weiteren Sendungsverlauf offensichtlich werden sollte: Chrupalla sah sich einer Überzahl an Gegnern ausgesetzt, die von der inflationär gebrauchten „Rechtsextremen“-Diffamierung bis zur These der Demokratiefeindlichkeit alles zu bieten hatten. Der AfD-Bundessprecher lies sich jedoch nicht aus der Ruhe bringen.

Tino Chrupalla bei Maybrit Illner: AfD-Bashing vom Feinsten

Schon der erste Einspielfilm lies erahnen, in welche Richtung die Sendung nach Willen der ZDF-Redakteure am liebsten verlaufen sollte. Die AfD sei auf der ewigen Suche nach dem Wutbürger und in der Corona-Frage keine Linie erkennbar. Provokativ beginnt Illner Chrupalla zu fragen, wann die Alternative festgelegt habe, dass das Corona-Virus nicht mehr gefährlich sei. Der AfD-Chef antwortet ruhig und sachlich, dass niemand in der Partei das Virus leugne. Jedoch seien die Maßnahmen der Regierung unverhältnismäßig und die Partei sorge sich um die Bürger, die von Ängsten und Nöten betroffen seien. Auch auf die spalterische Frage der Moderatorin, auf welcher Seite Chrupalla stehe, erwidert der 45-Jährige, als Parteichef alle Seiten gleichermaßen abdecken zu wollen und integrativ zu wirken. Ebenso befürwortet der Sachse die Aussprache auf dem zurückliegenden Parteitag in Folge des Co-Vorsitzenden Jörg Meuthen: „Das halte ich in der lebendigen Demokratie für wichtig und absolut notwendig.“ Seine Unterstützung sagt Chrupalla dem Europaparlamentarier für das kommende Jahr zu.

Anschließend wird der „Investigativjournalist“ Georg Mascolo in das Gespräch miteinbezogen. Zuerst mutmaßt der Ex-Spiegelchefredakteur, dass die AfD-Fraktion von geplanten Störmaßnahmen im Bundestag wusste und unterstellt der Partei, Verschwörungsmythen mitzutragen und neu zu gestalten. Die Wut der Menschen solle zu neuen Wählerstimmen verhelfen, dabei sei die Partei „nicht wählerisch“. Anschließend beklagt der aus NRW zugeschaltete Reul einen zunehmenden Einfluss von rechtsextremen Kräften, welche die Demonstrationen gegen die unverhältnismäßigen Einschränkungen der Grundrechte unterlaufen würden. Die Ex-Fraktionsvorsitzende der Linkspartei Wagenknecht widerspricht den Thesen des Innenministers anschließend. Die Fokussierung auf eine kleine Gruppe der Demonstrierenden sei falsch. Vielmehr sollten sich die Regierenden fragen, weshalb so viele Menschen Unzufriedenheit verspüren und erleben.

Der reulsche Blick auf das Grundgesetz

Der CDU-Mann offenbart bei der anschließenden Frage nach dem „Geschäft mit der Angst“ eine gefährliche Doppelmoral. Während die Kanzlerin die Probleme benennen und alles komplett richtig machen würde, hätte die AfD das Ziel, die Angst der Menschen zu missbrauchen. Chrupalla kann über diesen kruden Vergleich nur müde lächeln. Des Weiteren offenbart der Innenminister aus Nordrhein-Westfalen fragwürdige Ansichten zur Demonstrationsfreiheit. Ein Großteil der Bürger verhalte sich ordentlich und gehe nicht auf die Straße, so Reul. Wie diese Aussage mit dem im Grundgesetz festgeschriebenen Recht auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit einhergeht, bleibt offen.

Den Begriff der „Corona-Diktatur“ lehnt der AfD-Bundesvorsitzende im weiteren Gesprächsverlauf ab. Jedoch seien die Grund- und Freiheitsrechte in einer Form beschnitten, welche besorgniserregend sei: „Ich lasse mir von einem Ministerpräsidenten oder der Kanzlerin nicht vorschreiben, wie ich Weihnachten zu verbringen habe. Das lehnen wir als AfD ab!“

Parlament außer Kraft?

Nach einem Streit zwischen Wagenknecht und dem überforderten CDU-Innenminister leitet schließlich der AfD-Abgeordnete wieder auf das Infektionsschutzgesetz und den Galopp durch Bundestag, Bundesrat und Bundespräsident. Chrupalla kritisiert, dass das Parlament viel zu wenig Mitsprache gehabt habe. Hinzu weist der 45-Jährige auf die völlig verfehlte Politik der Regierenden hin, welche hunderttausende Unternehmen an den Rand der wirtschaftlichen Existenz führt. Das Beispiel der Gastronomie, welche vorbildliche Hygiene-Konzepte entwickelte und nun im Stich gelassen wird, unterstreicht die berechtigte Sorge der AfD vor einem wirtschaftlichen Zusammenbruch. Zum Ende seines Redebeitrags verweist der Bundestagsabgeordnete noch auf die Versäumnisse der vergangenen Jahre, allen voran im medizinischen Bereich. Fehlendes Pflegepersonal sei die Folge einer verfehlten politischen Schwerpunktsetzung.

“Extremisten haben in unserer Partei nichts zu suchen!”

Der nächste Einspielfilm beschäftigt sich mit Andreas Kalbitz und seinem Rausschmiss aus der AfD. Was das genau mit dem Thema der Sendung zu tun hat, bleibt fraglich. Trotzdem bleibt der AfD-Chef ganz sachlich und stellt fest: „Wir sind Volkspartei und da gehören verschiedene Strömungen natürlich dazu!“ Diese Ausrichtungen seien konservativ, sozial und patriotisch.

Auf die unverschämte Unterstellung der Moderatorin, Chrupalla würde den Kurs „Nazis raus“ nicht mittragen, antwortet der AfD-Chef eindringlich: „Extremisten haben in unserer Partei nichts zu suchen.“

Der Malermeister aus Görlitz unterstreicht anschließend: „Wer nicht auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht, hat in unserer Partei nichts zu suchen!“

Anschließend bedient der lange abgetauchte Reul die klassischen Rechtsextremismus-Vorwürfe, welche von den politischen Gegnern bei Argumentativlosigkeit gerne bedient werden. Der NRW-Innenminister schwadroniert vom längst aufgelösten Flügel und angeblich 7000 Rechtsextremen.

Chrupalla kontert: „Herr Reul, dann nennen Sie uns doch die 7000 Mitglieder des Flügels!“

Der CDU-Mann scheint erbost und flüchtet sich in bevormundendes Altparteiengerede: „Entweder Sie schmeißen die raus, oder die bleiben drin, aber dann müssen Sie sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen, dass Sie rechtsextremistisches Gedankengut zulassen.“

Der AfD-Chef sieht berechtigterweise das Recht auf seiner Seite. „Wenn SPD und CDU den Verfassungsschutz dazu missbrauchen, die größte Oppositionspartei in diesem Lande zu diskreditieren, werden wir bis zum Verfassungsgericht klagen!“ Der 45-Jährige sieht gute Chancen, dass seine Partei diesen Prozess gewinnen wird.

Die Sendung endet mit einem klaren Bekenntnis: „Ich sehe nicht, dass wir vor einer Spaltung stehen!“ Zuversichtlich ergänzt Chrupalla, dass die Partei bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr ein besseres Ergebnis erzielen wird als 2017.

Souveräner Chrupalla und erboster Reul bei Maybrit Illner

Tino Chrupalla meisterte den inzwischen gewohnten Kampf gegen alle anderen Studiogäste mit Bravour. Mit einenden Worten wandte er sich an die eigene Partei, mit berechtigter Kritik an die Bundesregierung. Auch das Drohen durch den Verfassungsschutz, hauptsächlich vorgetragen durch den CDU-Minister Reul, beantwortet der AfD-Chef mit rechtsstaatlichen Argumenten und einer angenehmen Gelassenheit. Das haben sich die Altparteienvertreter und die ZDF-Redakteure sicher anders vorgestellt.

TM


Wer den Auftritt von Tino Chrupalla bei Maybrit Illner sehen möchte, findet diesen in der ZDF Mediathek.

Talkshow von Maybrit Illner: Alle gegen Tino Chrupalla Zuletzt aktualisiert: 04.12.2020 von Team Münzenmaier
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Team Münzenmaier

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