Liebe Freunde,
da mir viele von Euch geschrieben oder mich telefonisch um meine Meinung zur aktuellen Entscheidung des Bundesvorstandes gefragt haben, möchte ich diese hier sachlich und ausführlich darlegen.
Vorweg: wenn ein Bundesvorstand derartige Entscheidungen trifft, darf es niemals um das Ansehen der Person gehen. Regeln sind für alle da.
Also vollkommen unabhängig wie man zur Person Andreas Kalbitz steht, muss eine Annullierung der Mitgliedschaft in unserer Partei dann erfolgen, wenn ein Mitglied der AfD die Mitgliedschaft in einer extremistischen Organisation verschwiegen hat.
Deshalb muss ein Bundesvorstand sorgfältig juristisch prüfen, ob ein derartiger Sachverhalt vorliegt. Ein Urteilen rein auf der Basis der eigenen „Überzeugung“, ob jemand irgendwo Mitglied war, würde einer willkürlichen Praxis Tür und Tor öffnen, die letztendlich die innerparteiliche Schiedsgerichtsbarkeit ad absurdum führt, die Beweislast umkehrt und Rauswürfe zu einem Instrument des innerparteilichen Machtkampfs macht.
Das kann nicht im Sinne unserer Partei und auch nicht im Sinne unseres Landes sein.
Also betrachte ich den vorliegenden Fall aus einer rein faktenbasierten Herangehensweise ohne Ansehen oder Bewertung der Person Andreas Kalbitz: ganz genau so, wie es auch die Aufgabe eines Bundesvorstandes in derartigen Fällen ist.
Zum Sachverhalt: der Beschluss des Bundesvorstandes die Mitgliedschaft von Andreas Kalbitz zu annullieren, beruht auf zwei Aussagen. Zum einen sei Andreas Kalbitz Mitglied der Republikaner gewesen und habe dies im Aufnahmeantrag verschwiegen. Zum anderen sei Andreas Kalbitz Mitglied der HDJ gewesen und habe auch dies im Aufnahmeantrag verschwiegen.
Die Mitgliedschaft von Andreas Kalbitz bei den Republikanern wurde von Kalbitz nie bestritten, ist parteiintern bekannt, wurde auf mehreren Bundesparteitagen bei Kandidaturen abgefragt und öffentlich bekannt gegeben. Unser Ehrenvorsitzender Dr. Alexander Gauland hat dem Bundesvorstand in der vergangenen Sitzung noch einmal deutlich mitgeteilt, dass diese Mitgliedschaft von Andreas Kalbitz in Brandenburg von Anfang an bekannt war und nie geleugnet wurde. Von einem „Verschweigen“ könne keine Rede sein.
Interessant wäre jetzt natürlich der Mitgliedsantrag von Andreas Kalbitz, denn so könnte man recht einfach herausfinden, ob die Mitgliedschaft bei den Republikanern in diesem Antrag steht. Wie viele andere Mitgliedsanträge aus dem Jahr 2013 liegt dieser Antrag aber nicht mehr vor.
Dem Bundesvorstand haben zwei Zeugen mitgeteilt, dass sie sich an ein damaliges Gespräch im Jahr 2013 erinnern können und Kalbitz die eigene Mitgliedschaft damals verschwiegen habe. Demgegenüber stehen die Aussagen von Dr. Alexander Gauland, Andreas Kalbitz und einigen anderen Parteifreunden, die bestätigen, Andreas Kalbitz habe die Mitgliedschaft damals angegeben.
Eine eindeutige Klärung der Frage nach sieben Jahren erscheint schwierig bis unmöglich.
Aber aus juristischer Sicht wäre das Verschweigen der Mitgliedschaft bei den Republikanern unserer Satzung nach ohnehin KEIN Grund für eine Annullierung, da sich unsere Satzung explizit auf „extremistische Organisationen“ bezieht. Die Republikaner haben ihren Prozess gegen den Verfassungsschutz hinsichtlich der eigenen Beobachtung gewonnen, als „extremistische Organisation“ waren sie nie eingestuft.
Eine Annullierung der Mitgliedschaft von Andreas Kalbitz aufgrund seiner Mitgliedschaft bei den Republikanern wäre somit rechtswidrig. Und zwar unabhängig davon, ob er seine Mitgliedschaft verschwiegen habe, was aufgrund der Faktenlage zumindest bezweifelt werden kann.
Kommen wir zum gravierenden Vorwurf: Andreas Kalbitz sei Mitglied der „HDJ“ gewesen, einer extremistischen und mittlerweile verbotenen Organisation, und habe dies bei seinem Eintritt in die AfD verschwiegen.
Andreas Kalbitz bestreitet eine Mitgliedschaft in der HDJ. Der Verfassungsschutz schreibt in einem Gutachten, dass ein Mitgliedsdokument der „Familie Andreas Kalbitz“ vorläge und Kalbitz somit Mitglied der HDJ war. Es steht Aussage gegen Aussage, Kalbitz gegen den Verfassungsschutz. Auch ob es sich explizit um ein Mitgliedsdokument oder einen Eintrag in einer Interessentenliste handelt, ist nicht abschließend geklärt.
Der Bundesvorstand hat deshalb bereits vor einiger Zeit Andreas Kalbitz dazu aufgefordert, den Verfassungsschutz zu verklagen und die Herausgabe des Dokuments zu verlangen.
Kalbitz hat diese Klage eingereicht, der Bundesvorstand hat jedoch am vergangenen Freitag mit knapper Mehrheit die Annullierung beschlossen, ohne das Ergebnis dieser Klage abzuwarten.
Mir persönlich stellt sich die Frage: Warum hat man die Ergebnisse der zuvor ausdrücklich geforderten Klage nicht mehr abgewartet?
Nach Nachfrage bei mehreren Bundesvorstandsmitgliedern, ob weitere Beweise der Mitgliedschaft vorliegen, erhielt ich die klare Auskunft: „Nein, weitere Beweise liegen nicht vor.“
Prof. Jörg Meuthen verkündete öffentlich, dass die Mehrheit des Bundesvorstandes „überzeugt“ sei, dass Kalbitz Mitglied der HDJ war. Diese Aussage erfüllt mich mit Sorge, denn die Annullierung einer Mitgliedschaft sollte, vollkommen unabhängig von der betroffenen Person, nicht auf „Überzeugungen“, sondern auf Beweisen basieren. Wer die Büchse der Pandora öffnet und anhand von „Überzeugung“ nur annimmt, dass ein Parteimitglied in der Vergangenheit einer extremistischen Organisation angehörte und ohne klaren Beweis von dessen Zugehörigkeit die Mitgliedschaft annulliert, sorgt dafür, dass die Annullierung von Mitgliedschaften in Zukunft ein starkes Instrument des parteiinternen Machtkampfs werden könnte.
Summa summarum lässt sich festhalten: ich habe starke Zweifel an der Rechtmäßigkeit des getroffenen Beschlusses und bin sehr gespannt auf die ausführliche Begründung des Bundesvorstandes, die den Mitgliedern bisher nicht vorliegt.
Ich teile die große Sorge von Dr. Alexander Gauland, Dr. Alice Weidel, dem Parteienrechtler Prof. Morlok und vielen anderen, die den Beschluss aus rechtlicher Sicht für äußerst fragwürdig halten.
Der mittlerweile bereits begonnene innerparteiliche Kampf wird uns allen schaden. Wir erleben zurzeit eine der größten Krisen der jüngsten Geschichte und ein massives Versagen unserer Bundesregierung. Die Menschen dieses Landes strömen zu tausenden auf die Straße und kritisieren die Regierung. Jetzt ist die Stunde der Opposition!
Leider beschäftigt sich die größte und einzige Opposition in diesem Lande momentan wieder einmal mit sich selbst…
Herzlich grüßt
Ihr
Sebastian Münzenmaier
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