Keine halben Sachen – Digitalisierung in der Schule angehen

Keine halben Sachen – Digitalisierung in der Schule angehen

Gastbeitrag von Lothar Mehlhose, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Mainz und AfD-Fraktionsvorsitzender im Mainzer Stadtrat.

Die Coronakrise offenbart beispielhaft die defizitären Digitalisierungsansätze im rheinland-pfälzischen Bildungssystem. Sowohl die Schulen als auch die ADD und das Pädagogische Landesinstitut waren auf einen flächendeckenden Einsatz von Onlineunterricht nicht vorbereitet. Dies lag unter anderem an der mangelnden Vorbereitungszeit, da von offizieller Seite jede Spekulation zu Schulschließungen kategorische dementiert und als Fakenews abgekanzelt wurde. So erwischte es viele Lehrer eiskalt, als am 13. März gegen 13:00 Uhr die landesweite Schulschließung verkündet wurde. Onlinekurse waren nicht eingerichtet und oftmals fehlten sogar Kontaktdaten von Schülern.  Doch die Misere begann erst.

Die Landesregierung empfahl den Schulen zum Onlinelernen die landeseigene Plattform Moodle zu benutzen. Dies taten auch viele Schulen, so dass binnen kürzester Zeit die Plattform zusammenbrach. Eine Besserung ist in absehbarer Zeit nicht in Sicht. Doch wie Lehrer nun sind, machen sie aus der Not eine Tugend, zumal Moodle nicht besonders nutzerfreundlich ist und keine Möglichkeit von Videokonferenzen bietet. So stiegen Lehrkräfte auf andere Systeme um, die vielfach von Unternehmen in der freien Wirtschaft bereits genutzt werden. Nur durch dieses Ausweichen ist es an vielen Schulen möglich, die Schüler online zu unterrichten und ihnen ein persönliches Feedback zu geben. Doch die Sache hat einen gewaltigen Haken: den Datenschutz.

Lehrern ist es untersagt, über US-amerikanische Dienste unterrichtsrelevante Inhalte zu kommunizieren. So darf man theoretisch noch nicht einmal auf eine Whatsapp-Nachricht eines Schülers antworten, wenn er fragt, welche Hausaufgaben aufgegeben wurden. Sie haben richtig gelesen. Es geht nicht nur um personenbezogene Daten. Es geht um sämtliche schulischen Inhalte. Cloudbasierte Lösungen dürfen nur dann verwendet werden, „[…] wenn entweder über ein Treuhandmodell der Zugriff durch US-amerikanische Stellen ausgeschlossen ist oder wenn keine personenbezogenen Daten in der Cloud gespeichert werden.“[1] So fallen alle gängigen Videokonferenzanbieter wie webex, Zoom und Skype direkt weg. Auch wenn sie von deutschen Unternehmen genutzt werden und dem europäischen Datenschutzschirm entsprechen. Der Markt an deutschen Anbietern ist überschaubar und auch bei denen ist nicht sichergestellt, dass sie den Vorgaben des Landes Rheinland-Pfalz entsprechen. So entsteht für viele Schulen ein Dilemma: verlasse ich mich auf die staatliche Lösung, kann ich weder direkt mit den Schülern reden, noch habe ich ein stabiles System zur Verfügung. Weiche ich auf bekannte und verbreitete Alternativen aus, begehe ich einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundsätze meines Dienstherrn. Es ist zu vermuten, dass die Schulaufsicht in der gegenwärtigen Situation bei Einhaltung von grundlegenden Datenschutzleitsätzen (keine Noten online verschicken, Verzicht auf Klarnamen etc.) ein Auge zudrücken wird. Aber kann dies eine zufriedenstellende Lösung sein? Ganz bestimmt nicht. Doch was kann nun aus der aktuellen Krise gelernt werden?

Die erste Erkenntnis muss sein, dass Digitalisierung sich nicht auf den Klassenraum beschränkt. Es reicht eben nicht, Klassen flächendeckend mit Smartboards auszustatten, die dann zum Zeigen von Filmen genutzt werden. Es reicht nicht, dass in jeder Klasse ein Rechner steht, die Lehrerzimmer jedoch nur über einen Rechner für zehn Lehrer verfügen. Digitalisierung muss als Ganzes gedacht und umgesetzt werden. Angefangen bei der Einrichtung, über die Infrastruktur bis hin zur Lehrerfortbildung muss ein Gesamtkonzept entwickelt werden, was nicht nur dazu dient, im Wahlkampf hübsch zu klingen, sondern einen echten Mehrwehrt generiert. Konkret müssten verschiedene Punkte dringend angegangen werden.

Das erste ist die Finanzierung. Die Maßnahmen im Rahmen des Digitalpakts sind hierbei ein Ansatz in die richtige Richtung. Doch darf bei allen blumigen Worthülsen aus dem Fundus der Pädagogik, die sich in den Medienkonzepten finden und der tollen Hardware nicht vergessen werden, dass all die Systeme gepflegt und gewartet werden müssen. Hier dürfen Schulen nicht allein gelassen werden, sondern müssen durch Personal vor Ort unterstützt werden. Das Land muss Mittel für Systemadministratoren an Schulen bereitstellen. Entlastungsstunden, die zudem durch den Digitalpakt teilweise entfallen und zusätzliche Gelder für den Schulträger reichen nicht. Auch das oftmals favorisierte Konzept eines Servicedienstleisters wird keine Abhilfe schaffen, da Hardwareprobleme schnell vor Ort gelöst werden müssen und nicht erst nach Beauftragung eines Serviceunternehmens. Effizienz muss hier geboten sein.

Das nächste ist die Schaffung einer geeigneten Infrastruktur, die so ausgelegt ist, dass alle Schüler des Landes Rheinland-Pfalz Moodle ohne Systemausfälle nutzen können. Es muss landesseitig die Serverkapazität bereitgestellt werden und die Plattform benutzerfreundlicher gestaltet werden. So erleichtert man Lehrern und Schülern den Einstieg in das System. Weiterhin sollten große Infrastrukturmaßnahmen vor Ort vereinheitlicht werden. Hier kann man sich ein Beispiel an den Hochschulen und  ihr einheitliches WLAN „eduram“ nehmen. Warum muss jeder Schulträger eine eigene Lösung finden, wenn dies vereinheitlicht werden kann?

Das weitere ist die Rechtssicherheit. So sehr man politisch eine Eigenständigkeit bei Softwarelösungen begrüßen mag, so muss man sich nicht unnötig selbst behindern, indem man markterprobte Lösungen verbietet und Kommunikationskanäle von vornherein ausschließt. Besonders gravierend zeigte sich dies, da die landeseigene Plattform keine Möglichkeit der Videokonferenz bietet und völlig überlastet ist.

Noch fataler ist jedoch die stillschweigende Duldung dieses Zustands. Kein Lehrer kann sich in solch einer Situation sicher sein, ob sein Handeln nicht doch irgendwann Konsequenzen hat. Dies trifft Referendare und Beamte auf Probe besonders hart, die um ihre Planstelle bzw. das Bestehen des Examens bangen müssen. Das Bildungsministerium muss hier handeln und zumindest den Austausch von nicht personenbezogenen Daten ermöglichen.

Ein weiteres Beispiel ist die Arbeit vom heimischen PC. Lehrer verrichten gut die Hälfte ihrer Arbeitszeit vom heimischen Arbeitsplatz aus, indem sie dort den Unterricht vorbereiten, Klassenarbeiten korrigieren und Verwaltungsarbeit verrichten. Dies tun sie an ihren privaten Rechnern, da es keine Dienstrechner für Lehrer gibt – abgesehen von den wenigen in der Schule. Aus diesem Grund muss jeder Lehrer eine Datenschutzerklärung unterschreiben, dass er personenbezogene Daten verschlüsselt und für Dritte unzugänglich anlegt. So weit so richtig. Er räumt jedoch gleichzeitig ein, dass dies überprüft werden kann. Überspitzt formuliert heißt es, dass die für den Datenschutz zuständige Lehrkraft bei seinen Kollegen daheim den Rechner überprüfen kann. Ein absurdes Szenario. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden. Lehrer brauchen Dienstrechner bzw. Cloudlösungen, die die Datenschutz sicherstellen.

Als letzter Punkt müssen die Lehrer unterstützt werden. Lehrer sollten primär unterrichten und nicht Verkabelungen in Klassenräumen überprüfen. Durch die Konzentrierung des Supports auf dafür eingestellte Fachkräfte, könnten diese entlastet werden. Weiter muss das gesamte Kollegium mitgenommen werden. Ein einheitliches Schulungskonzept ist hier eine Maßnahme, die es ermöglicht, Lehrer landesweit auf einen einheitlichen Stand zu bringen. Auch muss den Lehrern ein modernes Arbeitsumfeld mit Besprechungsräumen und ausreichend PC-Arbeitsplätzen geboten werden.

Diese Punkte müssen vom Bildungsministerium und den Schulträgern gemeinsam angegangen werden. Die Bildung unserer Kinder ist zu wichtig, um sie brach liegen zu lassen.

[1] https://www.datenschutz.rlp.de/de/themenfelder-themen/datenschutz-in-der-schule-fragen-und-antworten-fuer-lehrkraefte/

Keine halben Sachen – Digitalisierung in der Schule angehen Zuletzt aktualisiert: 01.07.2021 von Team Münzenmaier