Debatte der Woche: Regierungserklärung mit erheblichen Widersprüchen

Debatte der Woche: Regierungserklärung mit erheblichen Widersprüchen

Nach sechzehn Jahren Angela Merkel (CDU) ist jetzt mal ein anderer dran.

Nach dem Stotter-Start seiner Ampelregierung aus SPD, FDP und Grünen wurde die erste Regierungserklärung von Neu-Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit Spannung erwartet. In fast fünfundsiebzig Minuten formulierte der 63-Jährige die Ziele seiner künftigen Amtszeit und umriss die politischen Schwerpunkte. Dabei erntete Scholz erheblichen Widerspruch aus Reihen der AfD. Deren Fraktionsvorsitzende Weidel warf der neuen Ampel-Regierung vor, einen „permanenten Ausnahmezustand zu etablieren.“

Die Redner bei der ersten Regierungserklärung von Olaf Scholz:

Olaf Scholz (SPD): Es gibt für die Bundesregierung keine roten Linien

„Es gibt viel zu tun“, so Scholz zu Beginn, „wir haben keine Zeit zu verlieren“. Dabei startete der 63-Jährige mit dem derzeit alles beherrschenden Thema Corona. Scholz selbst ginge es derzeit nicht gut, erläuterte der Neu-Kanzler, der im Anschluss jedoch, ähnlich wie Merkel wenige Jahre zuvor, erklärte, dass „wir es schaffen.“

30 Millionen Impfungen sollten in den nächsten Wochen „in die Oberarme“ kommen, damit könnte die vierte Welle gebrochen werden: „Es gibt für die Bundesregierung keine roten Linien“, wiederholt der Sozialdemokrat seinen umstrittenen Satz vor wenigen Wochen und fordert erneut: „Lassen Sie sich impfen und schützen Sie ihr Leben und das der anderen.“ Dank gibt es für die geimpften Bürger, diese würden sich „solidarisch“ verhalten. „Aber genauso klar ist, wir werden es uns nicht gefallen lassen, dass eine winzige Minderheit von enthemmten Extremisten versucht, unserer gesamten Gesellschaft ihren Willen aufzuzwingen“, so Scholz weiter, der dennoch feststellt: „Unsere Gesellschaft ist nicht gespalten.“

Wenige Momente später geht der SPD-Mann das nächste Thema an: Die „Transformation der Ökonomie“ und Energiewende, die er herbeiführen will. Die Pariser Klimaziele müssten unbedingt erreicht werden. Dabei verspricht Scholz „Sicherheit im Wandel“. An diesem Versprechen wird sich der Kanzler messen lassen müssen. Deutschland werde neue Wege einschlagen, erklärt der 63-Jährige, der die kommenden Minuten nutzt, um mit den Begriffen „Wasserstoff-Pipeline“, „Elektroladesäule“ oder „Klima-Clubs“ anzukündigen, welche Energiepolitik auf die Bürger im Land zukommt. Erneuerbare Energien sollen massiv ausgebaut, dafür immense finanzielle Investitionen getätigt werden. Das Wort „Transformation“ kommt in diesem Abschnitt überraschend oft vor: „Klimaschutz wird in dieser Bundesregierung zu einer zentralen Querschnittsaufgabe.“ Die Elektromobilität bezeichnet Scholz dabei tatsächlich als „Erfolgsgeschichte“, bis 2030 sollten 15 Millionen Fahrzeuge dieser Art in Deutschland zugelassen werde. Später betont der Neu-Kanzler noch, dass der CO2-Preis „stabil bleibe.“

Also stabil hoch?

Nach mehreren Minuten Klima geht Scholz auf die Themen Rente, Gleichstellung zwischen Mann und Frau und soziale Gerechtigkeit über. Auf sage und schreibe 48 Prozent soll das Standard-Rentenniveau festgezurrt werden, dafür gibt es eher hämischen Applaus des Plenums. Ansonsten gibt es einen Vortrag der Wahlversprechen aus Mindestlohn, dem großen Thema Wohnen, und besseren Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten. Klar wird: Das Einwanderungsrecht soll modernisiert und ergänzt werden, um Migration in den Arbeitsmarkt massiv zu vereinfachen. Die gesellschaftliche Vielfalt bezeichnet Scholz dabei als Stärke Deutschlands. Einbürgerungen nach fünf Jahren, Mehrstaatigkeit als Normalfall: All das soll unter dem SPD-Kanzler umgesetzt werden. Ebenso wird in der Familienpolitik erheblicher Wandel auf die Deutschen zukommen. Die „Verantwortungsgemeinschaft“ neben der klassischen Ehe, ein Selbstbestimmungsgesetz zur freien Wahl des Geschlechts, kein Verbot der Werbung für Schwangerschaftsabbrüche. Scholz spricht in diesen Redeabschnitten teilweise wie ein junger Grüner. Die schlimmste Gefahr für den inneren Frieden in Deutschland sei dabei natürlich „der Rechtsextremismus“.

Anderer Extremismus, sei es von links oder islamistisch, kommt in der Rede des SPD-Kanzlers überhaupt nicht zur Sprache.

Ralph Brinkhaus (CDU/CSU): „Wir werden jedes Kilogramm CO2 zählen“

Als erster Redner erwidert Ralph Brinkhaus (CDU) auf Olaf Scholz. In seinem Redebeitrag schwankt der Fraktionsvorsitzende der Union die ganze Zeit zwischen dem Angebot konstruktiver Zusammenarbeit, Distanzierung von den sog. Rändern und unglaubwürdigen Angriffsversuchen, die komplett ins Leere laufen.

Die ersten Minuten nutzt der 53-Jährige für Glückwünsche an den Kanzler, Vize-Kanzler Habeck und FDP-Chef Lindner, bevor er sich wieder einmal von der AfD zu distanzieren versucht.

Was genau soll das bringen? Das weiß wohl nur Brinkhaus selbst.

Die CDU verstehe sich als Opposition in der parlamentarischen Demokratie, die AfD stehe außerhalb, so Brinkhaus. Die Union wolle eine „gestaltende Opposition“ sein, was auch immer das bedeuten mag.

Der Fraktionschef der Union nutzt seine Redezeit, um die Klimapolitik der alt geführten CDU-Regierung zu lobpreisen und die Neuausrichtung einer „modernen“ Union zu zeichnen. Ernsthaft meint Brinkhaus in Richtung des neuen Klimaministers Robert Habeck (Die Grünen): „Wir werden jedes Kilogramm CO2 zählen“.

Im Bereich der inneren Sicherheit sieht Brinkhaus Nachholbedarf. In der Migrationspolitik äußert der Unionsfraktionschef, ihm machen „die Pläne der Ampel Angst“. Brinkhaus kritisiert den vorgesehenen „Spurwechsel“ und die schnellen Migrationsverfahren, wobei seine Worte unglaubwürdig wirken in Anbetracht unbegrenzter und unkontrollierter Migration in CDU-Regierungsverantwortung seit 2015. Auch die Warnungen vor einer Schulden-Union wirken völlig Gaga, war diese doch auch mutmaßlich von der Union beschlossen worden.

Opposition muss Brinkhaus wohl noch etwas üben.

Katharina Dröge (Bündnis 90/Die Grünen): Klima, Klima, Klima

Katharina Dröge spricht für die Grünen und setzt ihren Schwerpunkt klar auf die Klimapolitik: „Mit diesem Koalitionsvertrag leiten wir die Wende ein!“ Solarpflicht, Windkraft, Beschleunigung von Planungsprozessen, schnellerer Kohleausstieg, Aus für den Verbrenner-Motoren: Das gesamte Programm grüner Umbaufantasien spielt Dröge ab. Während ihren Ausführungen wird klar: Die Ampel scheint klar vereinbart zu haben, welche Zuständigkeiten den jeweiligen Fraktionen zugedacht werden. Die Grünen werden in der Klimapolitik wohl freie Hand haben, was den Bürgern massive Mehrkosten bescheren dürfte.

Einen Schwenk findet sie noch zu sozialen Themen wie der Kindergrundsicherung und der Vielfalt des Lebens: Abschaffung des Transsexuellen Gesetzes, Reformen des Staatsangehörigkeitsrechts, neue Lebensentwürfe neben der Ehe. Es klingt wie ein dramatischer Umbau unserer Werte und soll es wohl auch sein. Deutschland stehen schwere Zeiten bevor.

Dr. Alice Weidel (AfD): Deutschland bleibt auf dem Sonderweg als Migrationsmagnet

AfD-Fraktionschefin Weidel nutzt ihre Redezeit, um eine Rundumkritik an den ideologischen Vorstellungen der Scholz-Regierung zu üben. Der Fehlstart der Ampel suche seinesgleichen, die vergangene Woche ernannten Minister würden auf Konfrontationskurs mit der Vernunft und der Freiheit gehen:

“Sie wollen an der Verfassung vorbei einen unerklärten permanenten Ausnahmezustand etablieren. Sie befürchten nämlich, dass die von Ihnen geschürte Panik zu schnell abebbt, wenn das Infektionsgeschehen auch ohne Ihr Zutun schon wieder zurückgeht.

Sie brauchen Dauerpanik und Ausnahmezustand, damit weniger über das gesprochen wird, was Ihre Regierung sonst noch auf der Agenda hat!”

Gerade die Umfallerpartei der FDP bekommt, wie so oft in den Reden Weidels, ordentlich ihr Fett weg. Das NetzDG wollten die Liberalen doch eigentlich abschaffen, nun wird es unter Justizminister Buschmann wohl ausgeweitet. Später bezeichnet Weidel FDP-Chef Lindner noch als „Steigbügelhalter für links-rote Fantasien“.

Kritik übt die 42-Jährige über mehrere Minuten an der neuen Innenministerin Nancy Faeser (SPD), der sie eine alleinige Fokussierung auf Rechtsextremismus vorwirft. Gerade die Anschlagpläne eines Islamisten in Hamburg seien doch klare Warnsignale gewesen. Links- oder Islamistischer Extremismus sei jedoch schon im Koalitionsvertrag nicht vorgekommen. Auch die Aufnahme von 25.000 Afghanen beschreibt Weidel als problematisch: Deutschland bleibe auf seinem Sonderweg als Migrationsmagnet.

Speziell auf Olaf Scholz geht die AfD-Fraktionschefin im letzten Teil ihrer Rede ein. Er sei ein „Kanzler der Spaltung“, unterscheide geimpfte und ungeimpfte Bürger und schweige zu seinen Skandalen, beispielsweise Warburg und Cum-Ex. Eine Europapolitik, die von eigenen Interessen nichts wissen will und dem Wunsch nach Auflösung des eigenen Nationalstaates nachgehe, sei nicht zielführend. Die Sprit- und Energiepreise würden absehbar ins Unermessliche steigen, die Mehreinnahmen dann in Grün-linke Identitätspolitik fließen.

Stark endet Weidel Ihren Beitrag in Richtung des Kanzlers:

„Korrigieren Sie diesen Kurs. Einigen Sie dieses Land, statt es weiter zu spalten.“

Die ganze Rede von Alice Weidel im Video:

Christian Dürr (FDP): Deutschland muss modernes Einwanderungsland sein

Christian Dürr hat sich für seine Rede wohl vorgenommen, möglichst viele modern klingende Begriffe hineinzupacken. Zu Beginn lobt der neue FDP-Fraktionschef die Corona-Politik der neuen Ampelregierung und die Impfbereitschaft der Menschen in Deutschland. Im Anschluss erläutert der 44-Jährige die wirtschaftlichen Ziele der Ampel und versucht augenscheinlich, alle im Koalitionsvertrag vorhandenen Investitionen und Ausgaben vorzustellen und mit geschönten Begriffen zu verbinden. „Start-Up-Gründer“, Technologieoffenheit“, „Digitalisierung“. Das Aufstiegsversprechen der sozialen Marktwirtschaft müsse endlich wieder erfüllt werden, so Dürr.

Die gezielte Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt, Dürr selbst hatte vor Kurzem von 400.000 Menschen im Jahr gesprochen, lobt der FDP-Mann ausdrücklich. Deutschland müsse ein modernes Einwanderungsland sein.

Amira Mohamed Ali (Die Linke):

Die Linken-Fraktionschefin Mohamed Ali legt den Schwerpunkt ihrer Rede auf die Pflege. Klassische Linke Phrasen durchziehen ihren Redebeitrag: Das Gesundheitssystem müsse endlich von Profitorientierung weg, es sei Zeit für gerechtere Löhne, gerechtere Besteuerung und eine Außenpolitik im Geiste Willy Brandts.

In der Corona-Politik will die Linke wohl schnellere Booster und bessere Impfstoffbeschaffung. Die langen Schlangen vor den Impfzentren seien ein großes Problem, so Mohamed Ali.

75 Minuten Regierungserklärung, nur eine klare Opposition

Eines wurde während der Aussprache im Deutschen Bundestag deutlich: Die einzig wahrnehmbare Opposition im Deutschen Bundestag wird in der frisch angelaufenen Legislatur die AfD-Fraktion sein. Die Union verheddert sich zwischen Zustimmung und Widerspruch, die Linke spult ihr klassisches Programm herunter. Dem Ampel-Horror aus Massenmigration, Corona-Gängelei und Klimawahnsinn stellt sich einzig die AfD klar und deutlich entgegen.

„Sie brauchen Dauerpanik und Ausnahmezustand, damit weniger über das gesprochen wird, was Ihre Regierung sonst noch auf der Agenda hat!” meinte Alice Weidel in ihrem Redebeitrag.

Doch die AfD wird mehr darüber sprechen. Die ganzen vier Jahre lang.

TM

Debatte der Woche: Regierungserklärung mit erheblichen Widersprüchen Zuletzt aktualisiert: 15.12.2021 von Team Münzenmaier