Der Deutsche Bundestag tagt zu einer vereinbarten Debatte über „30 Jahre Deutsche Einheit“. Ein Ereignis, welches verdient, gefeiert zu werden. Eine Parlamentsdebatte ist allerdings kein feierlicher Akt, sondern der Ort, an welchem es gilt, Fehlentwicklungen zu benennen und eine kritische Rückschau zu halten. Gerade dies fällt den Altparteien leider naturgemäß schwer. Die Bundeskanzlerin Angela Merkel hält es am heutigen Freitag nicht einmal für notwendig, an der Debatte teilzunehmen.
Dr. Wolfang Schäuble (CDU) eröffnet pünktlich die Aussprache und übergibt das Wort an die erste Rednerin der Debatte.
Yvonne Magwas (CDU/CSU) berichtet aus eigener Erfahrung
Die Abgeordnete Magwas erinnert an ihre persönlichen Erlebnisse während der friedlichen Revolution, die sie als 10-Jährige im Vogtland erlebt hat. Sie zeigt sich dankbar für die Menschen, die an der friedlichen Revolution aktiv beteiligt waren und Spätgeborenen wie ihr die Deutsche Einheit ermöglicht haben.
Die Transformation einer Planwirtschaft in eine soziale Marktwirtschaft bezeichnet sie als herausfordernd. Durchaus kritisch werden Umstände wie Arbeitslosigkeit und persönliche Umbrüche als Folge kommunistischer Herrschaft genannt. Aus der Rede Magwas könnte die Union durchaus lernen, dass mit den SED-Nachfolgern keine gemeinsame Sache zu machen ist. Leider hat sie dies in der Vergangenheit schon getan. Die Christdemokratin möchte den Blick stärker in die Zukunft richten, jedoch keine Schlussstriche unter die Vergangenheit ziehen.
Wie es von einer CDU-Rednerin zu erwarten war, holt sie nun zu einem ausführlichen Lob des Status quo aus. Es folgen die üblichen Phrasen, wie prima heute alles sei. Eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der Gegenwart findet in der CDU-Rede nicht statt.
Tino Chrupalla (AfD) legt den Finger in die Wunde
Auch Tino Chrupalla erinnert an seine Vergangenheit in der DDR. Er erlebte, wie Menschen überwacht und bevormundet wurden. Mit 15 Jahren erlebte der AfD-Bundessprecher die Freiheit nach der Wiedervereinigung. Er erinnert an den Zusammenhalt der Menschen in einem freiheitsfeindlichen System. Im Privaten überlebte die Mitmenschlichkeit, welche nach Aussage Chrupallas im heutigen Deutschland ein Stück weit verloren gegangen ist.
Warum das nach 30 Jahren Deutsche Einheit so ist, das müsse sich die Politik fragen. Chrupalla übt sich nicht in Schönfärberei und legt den Finger in die Wunde. Er kritisiert das niedrigere Durchschnittseinkommen und die drohende Armut für Rentner im Osten. Die Regierungsbank nutze die vorhandenen Stärken nicht ausreichend und spiele lieber mit der Angst der Menschen. Den neuen Bundesländern wird immer wieder pauschal Rechtsextremismus unterstellt und die diffamierende Betitelung Dunkeldeutschland gewählt.
Chrupalla fordert, dass sich einige der Anwesenden erinnern sollten, wie es war, als Menschen wegen regierungskritischer Meinung verfolgt wurden. Die Wiedervereinigung bezeichnet der AfD-Mann als einen patriotischer Akt. Chrupalla dankt den Menschen im Osten für Ihren Mut und dafür, dass sie das Geschenk der Einigkeit möglich gemacht haben. Zum Ende mahnt der AfD-Bundessprecher dazu, die Freiheit der Meinung weiter zu erhalten.
Olaf Scholz (SPD) redet lieber über Europa
Im Gegensatz zu den klaren Worten seines AfD-Vorredners trägt der Finanzminister und sozialdemokratische Kanzlerkandidat Olaf Scholz in gewohnt einschläfernder Tonalität die üblichen Phrasen zu einem solchen Gedenktag vor und macht schnell eine Drehung zur Europäischen Union. Scholz spricht in seiner Rede generell lieber über Krisenmanagement und Europa als über die Wiedervereinigung. Aus der Deutschen Einheit leitet Scholz vor allem den Auftrag ab, die EU weiter voranzutreiben.
Unterschiedliche Löhne, beruflichen Perspektiven und Renten in Deutschland werden zwar kurz angeschnitten, dienen aber nur der Anmoderation eines Selbstlobes für die Grundrente. Scholz mahnt im Mittelteil seiner Rede zur gemeinsamen Bewältigung von Strukturbrüchen. Zum Ende kommt ein Aufruf zu einem Miteinander, was bei der Bundesregierung bedeutet, dass die Bürger „miteinander“ der Regierung zu folgen haben. Er spricht allgemein auffällig oft von einem „wir“ und „miteinander“ und macht deutlich, dass das vor allem eine Botschaft an kritische Stimmen sein soll.
Christian Lindner (FDP) bemüht sich um sein Modernisierungsimage
Lindner sieht die Deutsche Einheit als Konsequenz der ersten unblutigen Revolution in diesem Land. Auch der FDP-Chef lobt den Mut der Ostdeutschen und die Sehnsucht nach Freiheit. Ebenfalls erinnert er an die Mauertoten und möchte die Motive hinter der friedlichen Revolution besonders hervorgehoben sehen. Aus seiner Sicht sind dies die Sehnsucht nach Freiheit und vor allem Wohlstand.
In seiner Rückschau hebt er die Politiker Helmut Kohl und Hans-Dietrich Gentscher hervor. Tatsächlich erinnert Linder auch daran, dass es ein späterer grüner Außenminister war, der noch 1989 sagte, man solle die Einheit vergessen und einfach 20 Jahre darüber „die Schnauze halten“.
Auch Lindner appelliert zwischendurch an eine Politik des Multilateralismus. Das würde Angela Merkel gefallen, wäre sie denn anwesend. Generell übt sich der Liberale darin, vor allem Optimismus auszustrahlen. Er will Zonen schaffen, in welchen Steuern niedrig gehalten und Bürokratie abgebaut werden soll. Für ihn liegt die Lösung in der Förderung des Ostens darin, dort massenhaft Start-ups anzusiedeln.
Dietmar Bartsch (Die Linke) weicht der Vergangenheit seiner Partei aus
Dietmar Bartsch lobt die friedliche Revolution als historisches Glück. Da Die Linke immer noch die direkte Nachfolgepartei der SED ist. Hören sich die Worte wie Hohn. Bartsch spricht von „Akzeptanz der Geschichte“. Man kann nur erahnen, was er wohl damit meint.
Auch er beklagt, dass es noch lange nicht gleichen Lohn für gleiche Arbeit in Ost und West gibt. Bartsch beklagt nicht etwa eine mangelnde Aufarbeitung der SED-Verbrechen, sondern lieber der Treuhand. Darüber hinaus beklagt der Linken-Politiker, dass der Osten immer noch strukturell benachteiligt wird und zu wenig Repräsentation auf politischer Führungsebene findet. Zum Ende mahnt er für Die Linke obligatorisch zu mehr sozialer Gerechtigkeit.
Katrin Göring-Eckardt (Grüne) – gendergerecht für „Vielfalt“
Göring-Eckardt hat Probleme mit Patriotismus. Daher erinnert sie lieber, dass Peter Maffay mit dem Lied „Über sieben Brücken musst Du gehen“ einen Kassenschlager mit Ursprung in der DDR landen konnte. Ganz Grün bemüht sie ihre Lieblingsphrasen wie „Weltoffenheit“ und „Vielfalt“. Auch sie beklagt gendergerecht, dass Bürger*innen aus Ostdeutschland zu wenig in gehobenen Positionen vertreten sind.
Aus den Erfahrungen der letzten 30 Jahre will sie Krisen wie „Pandemie und Klimakrise“ meistern. Bei Göring-Eckardt klingt es schon fast wie eine Drohung, wenn sie davon redet, dass man das Land weiter gemeinsam verändern werde.
Pastorale Predigt von Ralph Brinkhaus (CDU/CSU)
Ralph Brinkhaus tritt mit Dauergrinsen ans Rednerpult und versucht vor allem, seiner eigenen Freude über die Wiedervereinigung und der EU Ausdruck zu verleihen. In der Rede gibt es viel Dank, viel lobende Worte, aber eben keine kritischen Gedanken. Der Redebeitrag von Brinkhaus mutet eher wie eine große Laudatio an. Bei CDU-Rednern ist man schon gewohnt, dass es oft viel pastorale Phrasen gibt, aber wenig Inhaltliches. Bemerkenswert ist, dass Brinkhaus aus der Geschichte ableiten will, dass Deutschland immer mehr für Europa tun müsse als alle anderen.
Ganz wie die Kanzlerin redet er auch von „Denen, die dazugekommen sind“ und „Denen, die schon hier waren“. Als zusammenhaltende Klammer bezeichnet er den Deutsche Bundestag, dort solle auch die innere Einheit auch erkämpft werden. Für so viel Freude am eigenen Wort gibt es langen Applaus seiner eigenen Fraktion.
Jens Kestner (AfD) schildert aus westdeutsche Sicht
Für die AfD tritt nun Jens Kestner ans Mikrofon. Auch Kestner berichtet von seinen eigenen Erfahrungen als Westdeutscher im Vorfeld der Wiedervereinigung. Auch für den Westen veränderte sich mit der friedlichen Revolution die Sichtweise, denn die DDR konnte man bis dahin nur aus der Ferne betrachten. Der AfDler beschreibt seine persönlichen Erlebnisse nach der Wiedervereinigung. Er macht deutlich, dass wir Deutschen ein Volk sind und waren. 30 Jahre Einheit bedeutet, dass zusammengekommen ist, was zusammengehört.
Kestner macht darüber hinaus klar, dass heutzutage Menschen Nachteile und Repression erfahren, wenn sie ihre Meinung offen vertreten. Dies stimme ihn sorgenvoll.
An Brinkhaus richtet er die deutliche Botschaft, dass vieles besser wäre, wenn er für sein Volk genauso viel tun würde wie für Europa.
Fazit
Wie schon zu befürchten war, nehmen die Altparteien das Thema „30 Jahre Deutsche Einheit“ vor allem zum Anlass, Schönwetterreden zu halten und zu mehr EU-Engagement aufzurufen. Auch hier ist es an der einzigen Oppositionspartei, der AfD, Missstände in Vergangenheit und Gegenwart zu benennen und die richtigen Schlüsse aus der Wiedervereinigung zu ziehen.
Im späteren Verlauf der Debatte hält auch Dr. Marc Jongen von der AfD gerade den linken Parteien vor, dass sie sich deutlich gegen die Wiedervereinigung ausgesprochen haben. Jongen weist auch darauf hin, dass nach 15 Jahren Amtszeit von Angela Merkel die DDR in der Bundesrepublik Deutschland wieder deutlich zutage tritt.
Immer wieder werden demokratische Meinungen diffamiert und Dogmen durch regierungshörige Medien geschaffen. 30 Jahre Deutsche Einheit mahnt auch dazu, von Neuem um Freiheit und Demokratie zu ringen.
TM
Von Heidi Walter
Merkel hat sich vor Kurzem an ihre Kindheit erinnert. Vielleicht möchte sie deshalb die DDR 2.0 einführen, weil dann alles wieder so wird “wie früher”.
Von Max Axel Jurke
Wenn ich sehe, daß der halbe SED-Kader jetzt bei uns an den Schalthebeln der Macht mitregiert und die ehemaligen Regimkritiker bei der Wiedervereinigungsfeier ausgeschlossen worden sind, Frage ich mich ob alle Deutschen aus dem selben Grund feiern. Ulbricht würde sicher grinsen über diese Entwicklung. Der Sieg des Sozialismus scheint mit diesen Volksverrâtern in immer greifbarer Nähe zu rücken.
Von Heidi Walter
Ich war 17 Jahre alt als die Mauer gebaut wurde und habe nicht gedacht, dass ich sie in meinem Leben fallen sehen würde. Als ich am 10. November 89, gegen meine Gewohnheit, den Fernseher anmachte, habe ich mich sehr gefreut als ich die Bilder sah und geweint. Dann war uns klar, was auf die Menschen zukommt. Es ist nicht so schlimm geworden, wie wir befürchtet hatten, sondern noch viel schlimmer. Unser erster Gedanke war “jetzt werden die Menschen so schnell über den Tisch gezogen, dass sie die Reibungshitze als Nestwärme empfinden”. War es eine Wiedervereinigung oder ein “Beitritt”? Nein, es war eine feindliche Ãœbernahme des Westens mit allen negativen Konsequenzen für die Menschen in Mitteldeutschland. Unterstützung erfolgte durch die Treuhand und einen Kanzler Kohl, der dann Kanzler der Einheit genannt wurde, obwohl er nichts getan hatte, außer zur richtigen Zeit in der richtigen Position zu sein. Die Menschen in Mitteldeutschland können stolz auf das sein, was sie erreicht haben, denn friedlich ein System zu stürzen ist einmalig in der Welt. Ich bin überzeugt, dass wir Wessis das nicht geschafft hätten, denn dazu wären wir zu faul und träge, weil wir uns von den Etablierten und der Presse vordenken lassen und gut darin eingerichtet haben.