Am 21. April 2021 hat die Regierung mit ihrer komfortablen Mehrheit im Deutschen Bundestag die Änderung des Infektionsschutzgesetzes beschlossen und damit bundesweite Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten ermöglicht. Wenn das Gesetz endgültig in Kraft tritt, dann wird es automatische Verschärfungen anhand der Sieben-Tage-Inzidenz geben.
Wird der magische Wert von 100 überschritten, sollen bereits nächtliche Ausgangssperren in Kraft treten. Ab 150 dürfen Geschäfte nicht mal mehr Kunden nach vorheriger Terminbuchung empfangen. Ab 165 müssen Schulen zum Distanzunterricht wechseln.
Was das Infektionsgeschehen betrifft, ist die Bundesregierung voll auf die Inzidenz fixiert. Doch diese Praxis steht seit langem in der Kritik und die Stimmen, welche sich gegen eine Orientierung am Inzidenzwert aussprechen, werden immer lauter.
Inzidenzen nicht aussagekräftig
Tatsächlich kann man nüchtern feststellen, dass die 7-Tage-Inzidenz keine Aussage über die Belastung des Gesundheitssystems gibt. Ein positives Testergebnis alleine lässt auch völlig offen, ob der Betroffene tatsächlich unter Symptomen leidet und damit tatsächlich erkrankt ist. In den Monaten Januar bis März 2021 hatten ein Drittel der mit Corona Infizierten überhaupt keine Auswirkungen gespürt.
Wenn nun die Testungen massiv ausgeweitet werden, dann steigt logischerweise die Inzidenz, weil viele symptomlos Infizierte, welche ansonsten nichts bemerkt hätten, mit in die Zahlen einfließen. Wie hoch die Dunkelziffer ist, konnte aufgrund mangelnder Testkapazitäten nie beziffert werden. Auch die Altersstruktur der Infizierten wird nicht berücksichtigt. Genau so wenig wird bei dem Wert beachtet, wie viele Bürger aus sogenannten Risikogruppen betroffen sind.
Kritik an der Koppelung von Einschränkungen an Inzidenzwerte kam von Berliner Amtsärzten. In einer gemeinsamen Stellungnahme kritisierten diese im Februar, „Inzidenzen bilden nicht das wirkliche Infektionsgeschehen ab“, da diese von den Testkapazitäten und dem Testwillen der Menschen abhängig seien.
Auch warum in dem geänderten Infektionsschutzgesetz für Schulschließungen plötzlich die Zahl von 165 ausschlaggebend sein soll, stößt auf Widerspruch. Der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung meinte: „Einen Wert von 165 ohne nähere Begründung festzulegen, erweckt den Eindruck von Würfeln auf hohem Niveau“. Dazu darf man ergänzen, dass die Zahl von 165 in keiner wissenschaftlichen Empfehlung genannt wird.
Dauer-Lockdown mit willkürlichen Inzidenzwerten?
Betrachtet man die von etlichen Fachleuten und Kommunalpolitikern kritisierten willkürlichen Inzidenzen als Voraussetzung für Grundrechtseinschränkungen, dann könnte vermutet werden, die Regierung plane eine No-Covid-Strategie durch die Hintertür. Es gäbe kurz nach Verabschiedung der sogenannten Corona-Notbremse so gut wie keinen Landkreis, in denen nicht die Zahl von 100 überschritten wird und damit Ausgangsbeschränkungen in Kraft treten.
Die Fraktionsvorsitzende der AfD im Deutschen Bundestag Alice Weidel bekräftigte in einer Pressemitteilung die Position der AfD-Fraktion:
„Abstrakte „Infektionszahlen“, die weder systematisch erhoben werden noch zwischen lediglich positiv Getesteten und tatsächlich Erkrankten unterscheiden, sind keine taugliche wissenschaftliche Grundlage für derart weitreichende Eingriffe in Bürgerrechte, Wirtschaftsleben und gesellschaftliche Freiheiten.“
Weiter fordert die AfD, die Risikogruppen endlich effektiv zu schützen und sich bei der Einschätzung der Gefahrenlage an der Auslastung des Gesundheitssystems zu orientieren.
Anstatt sich stur auf die Inzidenz zu konzentrieren, schlägt unter anderem der Epidemiologe Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung vor: “Wenn man gezwungen ist, sich auf nur einen Messwert zu beschränken – und das scheint so zu sein -, dann wäre die Zahl der Neuaufnahmen auf Intensivstationen das, was der Situation am ehesten gerecht wird.”
Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Bürger mit dem Verlust ihrer Freiheit die Zeche für das Versagen der Bundesregierung bezahlen müssen. Die Regierung unter Angela Merkel hält trotzdem weiter stur an ihrem Kurs fest und lässt nur Expertenmeinungen zu, welche deren eigene Haltung bestätigen. Und so können am Ende scheinbar nur die Gerichte die willkürliche Koppelung von Grundrechten an Inzidenzwerte stoppen. Oder der Wähler zur Bundestagswahl im September.
TM
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