750 Milliarden für die EU: Der Weg in die Schuldenunion ist frei

750 Milliarden für die EU: Der Weg in die Schuldenunion ist frei

In Mitten der Debatte über weitere Corona-Maßnahmen beschließt der Bundestag mit Stimmen der Union, SPD, Grünen und FPD das so genannte Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz. Hinter diesem kryptischen Begriff verbirgt sich das bereits im Mai 2020 in Brüssel ausgehandelte Schuldenaufnahmeprogramm der EU-Staaten. Kern des Vorhabens ist die gemeinsame Schuldenaufnahme der Mitgliedsländer in Höhe von 750 Milliarden Euro mit dem Ziel, die negativen Folgen der Corona-Pandemie zu begrenzen.

Das generationenübergreifende Vorhaben mit einer Laufzeit von 37 Jahren ist in der Hinsicht historisch, dass die Haftung der Schulden den Nationalstaaten obliegt. Deutschland haftet demnach nicht nur für den Anteil an Geldern, die es selbst erhält, sondern auch für die Verbindlichkeiten anderer Länder. Die hohe Kreditwürdigkeit Deutschlands ermöglicht es somit –  und das war der Leitgedanke des Gesetzes – anderen EU-Staaten mit geringerer Kreditwürdigkeit Schulden günstiger aufzunehmen.

Grundlage der Entscheidung ist Art. 122 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, der in bestimmten Ausnahmesituationen der EU die Möglichkeit einräumt, aus Gründen der Solidarität von sonst geltenden Regelungen der Finanz- und Wirtschaftspolitik abzuweichen. Diese sehen eine kollektive Schuldenaufnahme entgegen der beschlossenen Form nicht vor. Deutschlands Zahllast liegt auf Grund seiner großen Wirtschaftskraft und im Vergleich größerer Betroffenheit weiterer EU-Mitgliedsstaaten bei dem Vierfachen des ausgezahlten Betrags.

Teil des überstaatlichen Finanzpaketes ist indes auch die Verrechnung mit einer neuen EU-Steuer. Die Abgab auf Plastikmüll soll den Haushalt der Europäischen Union entlasten.

Der erste Schritt in die Fiskalunion?

Angesichts der Tragweite des Programms war die Entscheidung hoch umstritten. Selbst innerhalb der Koalition ist man sich uneins, obwohl es doch gerade Union und SPD waren, die im Mai letzten Jahres auf dem EU-Gipfel ihre Zustimmung bekundeten. So sprechen CDU-Vertreter von einem einmaligen Engagement in Krisenzeiten. Olaf Scholz, SPD-Finanzminister, sieht die EU-Coronahilfen als ersten Schritt in Richtung Fiskalunion.

Für viele Finanzexperten ist mit dem auch als Corona-Wiederaufbaufond bekannten Vorhaben eine rote Linie übertreten worden. Die Furcht, die Scholz vielmehr als Zukunftsvision ansieht, mit einem einmaligen Programm die Tür für ein Europa der gemeinsamen Finanzpolitik geöffnet zu haben, ist groß. Peter Boehringer (AfD), Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Bundestages, bezeichnet die Entscheidung in seiner Rede vor dem Bundestag als Dammbruch und warnt eindringlich vor der Gefahr einer „Haftungsgemeinschaft“. Zuspruch erhält er unter anderen von dem renommierten Bonner Professor für Öffentliches Recht Matthias Herdegen. Für fremde Willensentscheidungen, so sagt er, dürfe der deutsche Steuerzahler keine Haftung übernehmen. Und eben diese Haftung für die EU-Corona-Schulden ist nach Ansicht des Mannheimer Ökonomen Friedrich Heinemann unbegrenzt.

Ein weiterer Kritikpunkt des Projektes ist seine Zweckbindung. Die Ausschüttung der Gelder soll im Sommer diesen Jahres beginnen. Nach Expertenmeinung sollte die Zeit der Einschränkungen Mitte bis Ende des Jahres der massiven Einschränkungen ein Ende haben. Mittel zur Bekämpfung akuter Auswirkungen der Krise wären dem zur Folge nicht mehr nötig. Aus diesem Grund besteht die Möglichkeit für die Nationalstaaten die finanziellen Leistungen nicht nur als ausschließlich coronabezogene Zahlungen zu verwenden, sondern als generelle Wirtschaftshilfen einzusetzen. Kontrolle über Nutzen und Sinnhaftigkeit zur Verwendung der Gelder besteht kaum.

Verfassungsklage der AfD

Mit dem Beschluss des Bundestages ist der Weg zu einem Europa der Schulden geebnet. Nicht nur die Vertragslaufzeit des Corona-Wiederaufbaufonds belegt dies, sondern insbesondere auch die generelle Bereitschaft der etablierten Parteien, ureigene Kompetenzen des Nationalstaates an Brüssel abzutreten. Die Haushaltshoheit des Bundestags, als sein wichtigstes Instrument, ist zukünftig nicht mehr unantastbar. Auch deshalb erwägt die AfD-Fraktion Verfassungsklage.

TM

750 Milliarden für die EU: Der Weg in die Schuldenunion ist frei Zuletzt aktualisiert: 26.03.2021 von Team Münzenmaier

Eine Antwort auf “750 Milliarden für die EU: Der Weg in die Schuldenunion ist frei”

  • Herbert Brichta

    Von Herbert Brichta

    Unbedingt Klage beim Bundesverfassungsgericht einlegen, so gering die Chancen eines Erfolges auch sein mögen. Auch wenn wir unweigerlich auf den Abgrund eines Währungszusammenbruches zu Lasten Deutschlands zusteuern, es soll hinterher niemand behaupten können, man habe es nicht gewußt.

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